Landeshauptstadt: „Potsdam, das ist ein lebenslanger Prozess des Lernens“ Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) über die Stadt der Konflikte – von Ufer-Kriegen über Bau-Klagewellen
bis zur zerstrittenen Beigeordneten-Riege – und sein Krisenmanagement
Stand:
Herr Jakobs, sind Sie noch glücklich über Ihre Wiederwahl?
Na klar, bei dem eindeutigen Votum, bei dem beträchtlichen Vorsprung vor dem Linken Hans-Jürgen Scharfenberg, rund 61 zu 39 Prozent, das hält noch lange an.
Dass Ihr Wahlerfolg zu großen Teilen Scharfenbergs Stasi-Vergangenheit zugeschrieben wurde, Sie seit der Wahl fortlaufend in der Kritik stehen, zu Ihrer Amtseinführung 500 Kleingärtner vor dem Stadthaus demonstrierten, trübt die Freude nicht?
Das kann man sich nicht aussuchen. Man muss sich damit auseinandersetzen. Sensible Themen wie der Umgang mit Kleingärten, nicht glücklich platziert, bringen natürlich die Volksseele zum Kochen. Das war überflüssig. Es ist ja nun auch nicht so, dass nach einem Sieg alle Probleme gleich aus der Welt sind. Wir sind allesamt im letzten Vierteljahr auf die Wahl fokussiert gewesen. Davon kann sich auch kein Beigeordneter freimachen. Manche Dinge brechen sich Bahn, die eher hätten angesprochen werden müssen. Genau das findet im Augenblick statt. Das sehe ich gelassen.
Die Schweige-Taktik, bestimmte Themen aus dem Wahlkampf herauszuhalten, lässt jetzt Probleme hochgehen?
Sie akzentuieren das auf eine bestimmte Art und Weise, die mir nicht gefällt. Es ist normal, dass vor einer Wahl alle Kräfte angespannt sind. Deshalb steht in solchen Zeiten vielleicht weniger im Fokus, was allgemein bewältigt werden muss. Ich sehe das grundsätzlich entspannt, auch wenn mich manches ärgert und ich mir bisweilen von der Beigeordneten-Riege auch einen professionelleren Umgang wünschen würde. Das will ich gar nicht in Abrede stellen.
Ihre Gelassenheit ist für Kritiker ein Beleg für Mängel in der Amtsführung.
Nennen Sie Ross und Reiter!
Der Stadtverordneten-Vorsitzende Peter Schüler von den Bündnisgrünen hat zu Ihrer Amtseinführung Tacheles gesprochen: Er hat Sie aufgefordert, nicht nur Einzellösungen zu präsentieren, sondern endlich an einer übergreifenden Lösung zu arbeiten für das Dilemma dieser Stadt zwischen Historie und Moderne. Das war doch deutlich, oder?
Dieses Spannungsverhältnis zwischen Historie und Moderne bewegt die Stadt insgesamt. Es muss immer wieder neu diskutiert und ausbalanciert werden. Das dekretiert doch nicht ein Oberbürgermeister per Ordre de Mufti. Dazu ist ein Diskurs notwendig. Wie produktiv dieser sein kann, haben wir mit der Potsdamer Mitte erlebt, wo am Ende mit dem Leitbauten-Konzept eine gute Synthese zwischen Moderne und geschichtlichen Erfordernissen gefunden wurde. Dafür muss man Raum lassen. Wenn man das tut, ist das längst keine mangelnde Führungskraft.
In Potsdam gibt es ständig Bau-Konflikte, die eskalieren, ob um Uferwege, Kongsnaes, Drewitz-Center. Warum muss es immer so weit kommen?
In Potsdam wird alles mit großer Leidenschaft diskutiert. Das ist auch gut so, es belebt die Stadt. Manche Konflikte werden gewissermaßen paradigmatisch gelöst, wie unter einem Brennglas. Manches ist Interessen geleitet. Man hat es ja hier oft mit Menschen zu tun, die es verstehen, sich öffentlich bemerkbar zu machen, den Rechtsweg zu gehen. Eine Verwaltung kann nicht denen nachgeben, die das meiste Geld haben und über die Meinungsmacht verfügen. Die Themen müssen gesellschaftlich diskutiert werden, und dann muss es manchmal auch zu juristischen Entscheidungen kommen. Dafür gibt es die Gerichte.
Vielleicht würde ein „Frühwarnsystem“ helfen, damit Sie nicht überrascht werden, Konflikte beizeiten steuern können!
Bei aller Sensibilität, bei aller Etablierung eines Frühwarnsystems: Wissen Sie, manchmal wird es förmlich darauf angelegt, Dinge auf die Spitze zu treiben! Ob das Kongsnaes ist oder die Uferwege: Man kann mir beim besten Willen nicht den Vorwurf machen, dass ich mich damit nicht auseinandergesetzt hätte und nicht auch mit den Beteiligten versucht hätte, frühzeitig eine Lösung zu finden. Wenn einem das aber nicht gelingt, dann muss man erkennen, dass manchmal die Interessen so hart aufeinanderknallen, dass der Konflikt auf diese Art und Weise ausgetragen werden muss. Ich würde mir das auch lieber ersparen. Ich bin der allerletzte, der daraus seiner eigenen Bauverwaltung einen Vorwurf macht. Ich kann nicht erkennen, dass Ursachen der Konflikte ein Versagen der Verwaltung oder der Politik sind. Sie werden hier objektiv mit einer größeren Vehemenz als anderswo in Brandenburg, ja in Deutschland ausgetragen, und alles auf kleinstem Raum.
Wenn es also Kritik am System Jakobs gibt, fühlen Sie sich eher ungerecht behandelt?
Keine Frage, mit Kritik muss man fertig werden. Ich sage auch nicht basta, damit müssen wir leben. Aber ich habe bisher noch keinen Hinweis bekommen, der praktikabel wäre, die Konflikte zu minimieren, zu glätten. Ich bin mir ziemlich sicher: Es wäre genauso, wenn nicht ich hier säße, sondern jemand anders. Jeder auf diesem Stuhl müsste dieselben Potsdamer Konflikte austragen.
Ihr Baubeigeordneter Matthias Klipp steht dafür, Konflikte zu provozieren, anzuheizen, auf die Spitze zu treiben. Ist das der Weg?
Ich schätze an Matthias Klipp, dass er den Mitarbeitern eine klare Orientierung gibt. Das hat es in der Bauverwaltung vorher lange nicht gegeben. Er scheut Konflikte nicht, steht zu seinen Positionen – auch das halte ich für grundsätzlich gut. Nichts ist schlimmer, als wenn einer immer herumeiert. Ich möchte zwar das eine oder andere zuweilen mit einer größeren Zurückhaltung oder größeren politischen Sensibilität behandelt wissen, im Großen und Ganzen aber ist das in Ordnung. Man kann sich damit auseinandersetzen.
Vor einem Jahr haben Sie gesagt, der Klipp, der muss erst noch lernen wie Potsdam tickt. Hat er es gelernt?
Er ist dabei. Potsdam, das ist ein lebenslanger Prozess des Lernens.
Neuerdings erzürnt Sie auch Ihr Finanzbeigeordneter, Stellvertreter und Parteifreund Burkhard Exner. Er fand plötzlich ein 33-Millionen-Euro-Plus im Haushalt, während Sie nur einen Tag zuvor für die kreisfreien Städte auf Betteltour beim Land waren. Wie gehen Sie mit dem Gespött um?
Zur Ehrenrettung: Wir haben als einzige größere Stadt in Brandenburg die Doppik eingeführt, also die kaufmännische Buchführung. Wie damit eine so große Verwaltung funktioniert, wissen wir nicht. Das ist über weite Strecken ein Blindflug. Überraschungen sind da durchaus möglich. Trotzdem, der Zeitpunkt war ärgerlich. Ich wäre froh gewesen, wenn ich frühzeitig informiert worden wäre. Aber ich will noch einmal deutlich sagen: Es ist nach wie vor so, dass die kreisfreien Städte in Brandenburg unterfinanziert sind, selbst wenn wir 2008 ein Plus erwirtschaftet haben. Selbst wenn wir eine Stadt mit ausgeglichenem Haushalt wären, könnten wir das in den nächsten Jahren nicht mehr halten, da die Zuschüsse des Landes sich minimieren.
Wegen des 33-Millionen-Fundes soll es sehr unruhige Beigeordnetenkonferenzen gegeben haben, und nicht nur das, ihr „Kabinett“ soll sich ohnehin nicht grün sein. Chaostage im Rathaus?
Das ist nicht nur ein bisschen, das ist ordentlich übertrieben. Da wird viel hineingeheimnist. Wissen Sie, es kommt immer wieder vor, dass es Konflikte gibt, und die werden dann auch mit großer Leidenschaft ausgetragen. Ich bin nicht derjenige, der das immer unterbindet, manchmal muss sich das auch emotional Bahn brechen. Allerdings erwarte ich, dass Konflikte der Beigeordnetenkonferenz nicht nach außen getragen werden.
Es geht um in sich schlüssiges Regieren. Daran hapert es offenbar. Ein Beispiel: Erst kündigen Sie mehr Bürgerbeteiligung an, dann werden die Bürger vom Drewitz-Center überrascht. Die Enden bekommt man schwer zusammen.
Ich finde, sie gehen sogar gut zusammen. CDU- und SPD-Fraktion haben einen gemeinsamen Antrag zum Drewitz-Park in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht, und der ist dann breit mit den Kirchsteigfeldern diskutiert worden. Es hat dadurch eine Bürgerbeteiligung stattgefunden, die ihren Niederschlag in einem abgeänderten Antrag der SPD gefunden hat. Erst dann ist eine Entscheidung durch die Stadtverordneten gefallen. So war es auch gewollt. Den Vorwurf mangelnder Bürgerbeteiligung kann ich deshalb beim besten Willen nicht nachvollziehen.
Mit Verlaub, hier haben sich die Bürger ihre Beteiligung durch Protest erzwungen. Es gab von Ihnen, von der Rathausspitze, kein Wort dazu. Dabei hätten Sie das lange in der Verwaltung insgeheim betriebene Projekt ja vorstellen können, und dazu das Verfahren zur Bürgerbeteiligung. Es wurde aber das Pferd von hinten aufgezäumt – was zur Notbremse des Stadtparlaments geführt hat. Wie geht es jetzt weiter?
Die Beschlusslage ist, dass wir Leitlinien eines Bebauungsplans erarbeiten. Auf der einen Seite stehen die Interessen des Investors, auf der anderen das Einzelhandelskonzept und einiges mehr. Wir wollten die Brache am Kirchsteigfeld immer zu einem Gewerbegebiet entwickeln, aber es ist 15 Jahre lang nichts passiert. Der Grundkonflikt besteht darin, dass das Gewerbegebiet durch das Kirchsteigfeld erreicht werden muss. Wir brauchen eine neue Erschließungsstraße: Entweder ein Investor macht’s oder wir bauen sie, wofür ich in den nächsten Jahren nicht die Möglichkeit sehe.
Aber 13 Millionen Euro für einen Ufer-Spazierweg am Griebnitzsee wären vertretbar?
Ich bin für klare Verhältnisse. Es gibt zwar noch Unwägbarkeiten, aber es geht um diese Größenordnung. Ich halte sie für vertretbar, weil darin die Wertausgleiche, die Kosten für die Herstellung des freien Weges drinstecken. Wir brauchen das Geld nicht Knall auf Fall, das verteilt sich über zehn Jahre. Was wir jetzt diskutieren, fußt auf der Annahme, dass der Bund uns für drei Millionen Euro seine Grundstücke verkauft. Wenn nicht, stellen sich die Fragen sowieso neu.
Potsdam-Mäzen und Milliardär Hasso Plattner kündigte an, gegen Potsdam zu klagen, weil er sich von der Bauverwaltung ungleich behandelt fühlte.
Mit Hasso Plattner bin ich im Kontakt. Es ist natürlich für ihn schmerzlich, dass ein Nachbar am Griebnitzsee sein Bootshaus bauen darf, und ihm, der sich immer für den offenen Uferweg eingesetzt hat, eine Baugenehmigung nicht erteilt werden kann. Das ist frustrierend für ihn, das kann ich nachvollziehen, aber ich kann es nicht ändern.
Bleiben wir weiter an den Ufern: Der Bebauungsplan der Stadt für das Glienicker Horn wurde 2010 vom Gericht als unrechtmäßig kassiert. Und nun?
Am Glienicker Horn haben wir mit den Beteiligten verhandelt, es scheint ein Kompromiss denkbar. Bei den Gesprächen geht es nunmehr darum, welchen Wertverlust die Grundstücke durch eine zugunsten des Welterbes reduzierte weitere Bebauung erleiden. Wir werden, wenn wir soweit sind, den Stadtverordneten dazu einen Beschlussvorschlag unterbreiten.
Einen Vorschlag, der Potsdam vermutlich Geld für Entschädigungen kostet.
Ja, so sieht es aus.
Eine Baustelle für 2011 ist das Kasernenareal Krampnitz. Früher hielten Sie es für unattraktiv und riskant, jetzt will die Stadt daraus ein zweites Bornstedter Feld machen. Woher rührt der Sinneswandel?
Wir tun nichts Unüberlegtes. Wir vertreten unsere Interessen, haben dazu ein Rechtsgutachten beauftragt. Die Empfehlung lautet, diese Untersuchung zum Entwicklungsgebiet einzuleiten. Damit wird der Status Quo für die Kaserne Krampnitz eingefroren. Wir schützen uns davor, dass nur attraktive Teilflächen entwickelt werden und wir dann auf dem Rest sitzen bleiben. Deshalb leiten wir jetzt die Untersuchungen ein. Die Entscheidung, daraus ein Entwicklungsgebiet zu machen, ist damit aber nicht gefallen. Wir haben ja noch nicht einmal das Bornstedter Feld fertig, und es ist auch nicht so, dass Krampnitz mein größter Herzenswunsch wäre.
Der Poker verbindet sich mit den Speer-Affären auf Landesebene, die Ihre Partei im Land in eine Krise brachte. Wie kommt die SPD da raus?
Rainer Speer ist jemand, der Politikverständnis quasi mit der Muttermilch eingesogen hat. Wenn so einer durch eigenes Verschulden ausfällt, reißt das eine Lücke, aber wenn eine Partei gut aufgestellt ist, wird sie die auch füllen. Darauf wird es jetzt ankommen. Ich finde, Dietmar Woidke macht es im Amt des Innenministers schon sehr gut.
Es ist bekannt, dass Sie nicht zum „Küchenkabinett“ um Speer und Matthias Platzeck gehörten, eher einen Blick von außen auf das Geschehen haben. Erlebt die brandenburgische SPD eine Zeitenwende?
Das vermag ich im Moment nicht zu sagen, obwohl Politik in hohem Maße von Personen geprägt wird. Aus meiner Sicht kann die SPD daraus lernen, ein breiteres personelles Fundament zu haben, um Menschen auf bestimmte Aufgaben vorzubereiten.
Haben die Affären, die sich um den langjährigen Potsdamer SPD-Chef Speer ranken, der Landeshauptstadt geschadet?
Ich sehe keinen speziellen Schaden für Potsdam. Es war gut, dass wir uns bereits vor einigen Jahren Gedanken gemacht haben, wie es hier mit der SPD weitergeht. Da gab es viel Häme in der Presse. Platzeck und Speer verlassen Potsdam, hieß es da, alles wurde als Schwächung der Potsdamer SPD dargestellt. Und siehe da: Mit Mike Schubert als Nachfolger von Speer an der SPD-Stadtspitze ist es sehr gut gelungen, die Partei neu aufzustellen, jüngere Leute zu begeistern. Wir sind die erste Partei in Potsdam, der es gelungen ist, einen Generationswechsel ohne Verwerfungen zu stemmen.
Der steht den anderen noch bevor?
Die Linke hat ihre Konflikte erst einmal zugeschüttet. Dort ist alles wie immer, mit Billigung des Rathaus-Fraktionschefs und Landtagsabgeordneten Hans-Jürgen Scharfenberg darf die Partei immer neue Vorsitzende wählen, jetzt ist es Sascha Krämer. Dabei wissen bei den Linken einige ganz genau, dass Hans-Jürgen Scharfenberg seinen politischen Zenit überschritten hat, dass er nicht die Zukunft der Partei in Potsdam darstellt. Der Linken stehen Veränderungen bevor, die etwas mit Personalwechsel zu tun haben müssen. Diese Diskussion wird die Partei zu führen haben.
Wäre es ein Vorbote für Rot-Rot im Rathaus, wenn die Linke das bis zur Kommunalwahl im Frühjahr 2014 schafft?
Die Rathauskooperation mit CDU, Bündnisgrünen und FDP gilt, und die wird halten bis 2014. Bis dahin müssen sich alle Parteien neu aufgestellt haben. Alles andere wird sich zeigen.
Sie haben drei Jahre Ruhe zum Regieren. Sie wollen das „Wachstum meistern“. Wann ist es endlich so weit, etwa bei der Wohnungsnot?
Die Fortschritte sind sichtbar. Gerade beim Wohnungsbau haben wir Vorsorge getroffen, mit dem Bornstedter Feld, der Speicherstadt, der Heinrich-Mann-Allee, in Eiche, den Brauhausberg nicht zu vergessen. Dort werden überall neue Wohnungen gebaut, da geht es richtig los. Unterm Strich bin ich sehr zuversichtlich, dass wir in den nächsten acht bis zehn Jahren zehntausend neue Wohnungen schaffen.
Kann die auch ein Normal-Verdiener bezahlen?
Jede zehnte Wohnung, insgesamt werden es tausend, wird über die kommunale Pro Potsdam gebaut. Das Land fördert im Rahmen seines 30-Millionen-Programms landesweit 300 neue Sozialwohnungen, allein 50 in Potsdam. Um Mieten erschwinglich und die soziale Mischung zu halten, gehen wir neue Wege bei den so genannten Belegungsbindungen. Bislang wurden sie an Fördermittel für Neubau gekoppelt. Wir wollen sie auf den Wohnungsbestand übertragen. Das finden alle hochinteressant. Sogar das Landesministerium hat gesagt, Mensch, das ist ja eine pfiffige Idee.
Was ist daran so originell?
Man kann es so erklären: Es gibt bisher die Förderung für Wohnungsneubau, der sagen wir mal zehn Euro je Quadratmeter kostet und dann von der öffentlich Hand auf Mieten von acht Euro heruntersubventioniert wird. Jetzt weiten wir das auf fertige, sanierte Wohnungen aus, wo die Miete bei acht Euro liegt, die auf sechs Euro subventioniert wird.
Verhältnismäßig günstiger Wohnraum wird noch günstiger. Leistet das nicht der Entmischung der Wohngebiete noch Vorschub?
Im Gegenteil, so kann man Sorge tragen, dass die vorhandene Mischung bestehen bleibt. Würde man die Miete nicht reduzieren, hätte dies den Effekt, dass Leute wegziehen, dorthin, wo die Miete billiger, die Wohnung kleiner ist, in die unsanierte Platte etwa. Mit unserer Strategie sorgen wir dafür, dass wir eine soziale Mischung garantieren können.
Es gibt eine informelle Eltern-Regel: Wer in Potsdam einen Kita-Platz braucht, meldet sich schon während der Schwangerschaft an. Wie lange wird das noch so sein?
Das hat sich schon entschärft. Es entsteht immer mal eine kurzzeitige Situation, dass zehn, zwölf Leute auf der Warteliste stehen. Diese Liste haben wir abgebaut und inzwischen einen sehr guten Überblick durch den neuen Betreuungsservice „Kita-Tipp“. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es uns gelingen wird, Nachfrage und Angebot in die Waage zu bringen.
Damit Politik „nicht zum Autistenklub“ wird, wollten Sie die Bürger in Potsdam regelmäßig repräsentativ befragen. Wann lösen Sie das Wahlversprechen ein?
Die Bürgerbefragungen werden in ein Gesamtkonzept einfließen, das jetzt vorbereitet und im Frühjahr präsentiert und in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht wird. Es soll auch mit dem Bürgerhaushalt verkoppelt werden. Es geht darum, bei Investitionen, die über längere Zeit den Haushalt binden, über Bürgerbefragungen ein Votum herbeizuführen. Es setzt die Beschlusshoheit der Stadtverordnetenversammlung nicht außer Kraft, kann aber zur politischen Meinungsbildung beitragen.
Was war der wichtigste Moment 2010 für Potsdam, für Sie?
Für die Stadt am wichtigsten waren der Baubeginn des Landtages und das Leitbautenkonzept. Beides wird Potsdams Mitte nachhaltig verändern. Wir haben jahrelang geredet, jetzt geht es richtig los. Das ist das Resultat eines langen, langen Atems. Für mich persönlich war es der Wahlsieg am 3. Oktober.
Und was war ein sehr ernüchterndes Moment?
Da muss ich überlegen. Aus der Vergangenheit merkt man sich in erster Linie ja nur das Gute. Wenn man in der Politik auch über ein gesundes Maß an selektiver Wahrnehmung verfügt, kann das ja auch hilfreich sein zur Reduzierung von Komplexität (lacht)
Machen wir einen zweiten Versuch: Was nervt Sie am meisten?
Das ist die Termindichte, die nimmt extrem zu. Ich habe mir aufschreiben lassen, was es an festen Zusagen fürs nächste Jahr gibt. Das, was disponibel ist, wird immer weniger. Das frisst einen richtig auf. Aber das gehört zum Job, ich will kein Mitleid. Ich muss Schwerpunkte setzen, anders geht das gar nicht.
Das Interview führte Sabine Schicketanz
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