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Landeshauptstadt: Potsdam gegen den Zensus

Die Stadtverwaltung hat sich der bundesweiten Klagewelle gegen die Volkszählung 2011 angeschlossen

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Mitte 2013 war die Überraschung bei den Statistikern im Rathaus groß: Die Zensus-Volkszählung hatte damals ergeben, dass in Potsdam 1189 Menschen weniger als bislang angenommen leben. Deshalb musste die Stadt auch mit etwas weniger Landes- und Bundeszuweisungen auskommen. Damit will sich die Stadtverwaltung aber nicht abfinden: Wie viele andere Kommunen in Deutschland klagt Potsdam nun gegen den „Zensus 2011“. Das bestätigte Rathaussprecher Stefan Schulz am Mittwoch auf PNN-Anfrage.

Konkret geht die Stadt demnach gegen das Landesamt für Statistik Berlin-Brandenburg vor, die Klage wurde beim Verwaltungsgericht Potsdam eingereicht. Schulz sagte, mit dem Schritt wolle man richterlich feststellen lassen, ob die Erhebungsmethode bei der Volkszählung „tatsächlich geeignet war, um die genaue Einwohnerzahl zu ermitteln“.

So oder ähnlich argumentieren auch 350 andere Kommunen in ganz Deutschland, die nach Angaben des Statistischen Bundesamts gegen den Zensus klagen. Sie kritisieren die Methode des Zensus, der erstmals keine Vollzählung war, sondern die Bevölkerungszahl in Städten ab 10 000 Einwohnern nach einer Stichprobenzählung von durchschnittlich zehn Prozent lediglich hochrechnete. Schulz sagte, mit der eingereichten Klage befinde sich Potsdam in Einklang auch mit anderen Kommunen in Brandenburg, die sich über den Städte- und Gemeindebund organisieren. Der Geschäftsführer des Verbands, Karl-Ludwig Böttcher, sagte den PNN, neben Potsdam würden 15 weitere Kommunen aus Brandenburg klagen. Von den vier kreisfreien Städten im Land sei nur Potsdam vor Gericht gezogen. Aus dem Landkreis Potsdam-Mittelmark seien keine Klagen bekannt.

Die Klageaussicht schätzt Böttcher als durchwachsen ein. Unter anderem berief er sich auf mehrere Gutachten und das bundesweit erste Verfahren, bei dem die Stadt Bremerhaven vor dem Bremer Verwaltungsgericht gegen den Zensus klagt. Dort war ein Gutachten präsentiert worden, wonach das Zensusgesetz keine ausreichende Kontrolle über die Qualität der Einwohnerzahlbestimmung vorsehe – und der Zensus sämtlichen Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern systematisch mehr Bürger abgezogen habe als kleineren Kommunen. Die Schwierigkeit in diesem Verfahren werde jedoch sein, so Böttcher weiter, die Fehler des ersten registergestützten Zensus konkret darzulegen. Grund: Das Statistische Bundesamt habe bereits mit der Löschung der Zensus-Daten begonnen und „bedauerlicher Weise insbesondere bei den klageführenden Gemeinden keine Ausnahmen von der Löschung gewährt“. Beim Landesamt für Statistik sagte eine Sprecherin den PNN, zu laufenden Verfahren würden keine Stellungnahmen abgegeben.

Genaue Angaben über die Gelder, die Potsdam durch die Zensus-Zählung entgangen sein könnten, konnte Stadtsprecher Schulz nicht machen. Ein Sprecher des Finanzministeriums präzisierte, für Potsdam gehe es um 93 920 Euro weniger als ursprünglich kalkuliert. Das sei ein Minus von 0,08 Prozent – bei Schlüsselzuweisungen des Landes insgesamt von mehr als 124 Millionen Euro.

Auch das benachbarte Berlin will nach Angaben des Senates weiterhin gegen den Zensus klagen – doch wann und wie ist offen. Bisher sei senatsintern noch nicht abgeklärt, für welchen gerichtlichen Verfahrensweg sich das Land entscheiden wird, hieß es zuletzt aus der federführenden Innenverwaltung. Klar sei nur, dass Berlin nicht – wie ursprünglich geplant – mit Hamburg gemeinsam eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einreichen werde.

Der „Zensus 2011“ hatte die Bundeshauptstadt kalt erwischt. Bei der Veröffentlichung der Ergebnisse stellten die Statistiker fest, dass in Berlin mit knapp 3,3 Millionen rund 180 000 Einwohner weniger lebten als angenommen. Pro Jahr stehen dem Stadtstaat deswegen rund 470 Millionen Euro weniger aus dem Länderfinanzausgleich zu. Für die Klage gebe es keine Frist, da Berlin fristgerecht Widerspruch erhoben habe, hieß es vom Senat weiter. Deshalb könne jetzt in Ruhe abgeklopft werden, ob Berlin vor dem Verwaltungsgericht klagt oder gleich das Bundesverfassungsgericht anruft.(mit dpa)

nbsp;Henri Kramer

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