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Landeshauptstadt: Potsdam ist „Welthauptstadt des Heldbocks“

Landesumweltamtschef Matthias Freude: So viele Vorkommen wie in keiner Stadt in ganz Eurasien

Von Peer Straube

Templiner Vorstadt - Matthias Freude beendet die Verwirrung um die Auswirkungen des Heldbock-Funds am Brauhausberg auf die Schwimmbad-Pläne: Schutzzonen für die ebenso seltene wie streng geschützte Insektenart gebe es nicht, sagte der Chef des Landesumweltamtes den PNN. Nur wenn ein von dem Käfer bewohnter Baum gefällt oder Teile davon abgesägt werden sollen, werde es problematisch. Damit ist klar: Zwischen dem Bergfuß auf der einen und „Minsk“ und DDR-Schwimmhalle auf der anderen Seite kann die Stadt bauen, was immer sie will. Sowohl das Sport- und Familienbad als auch die von der Stadt geplanten rund 200 Wohnungen sind damit nicht in Gefahr und hätten genug Platz.

Heikel wird es oberhalb davon, in dem Waldstück, in dem die für den Käfer so typischen mehr als fingerdicken Bohrlöcher von der Bürgerinitiative Pro Brauhausberg am vergangenen Samstag entdeckt wurden. Wenn die Stadt bei der jetzt anstehenden Überarbeitung des Bebauungsplans auch dieses Gebiet beansprucht, kommt das Landesumweltamt ins Spiel. Dann werde das betreffende Gebiet auf geschützte Arten hin untersucht, auch die Population des Käfers, erklärte Freude. Würde sie durch menschliche Eingriffe in ihrem Bestand nicht gefährdet, dürfte selbst dort gebaut werden. Fällungen einzelner Bäume oder das Absägen von Ästen, in denen der Käfer vorkommt, seien als Ausnahmen durchaus zulässig, so Freude.

Denn es sei möglich, jene Teile des Baums an einen anderen Standort zu transportieren, in denen die Larven des Käfers heranwachsen, was immerhin bis zu sechs Jahren dauern kann. Die Landeshauptstadt verfüge nämlich über ein ganz besonderes Flora-Fauna-Habitat, speziell für den Heldbock, der auch Großer Eichenbock heißt. Dort könnten die Baumteile hingebracht werden, der Käfer könne dort in Ruhe unter seinesgleichen heranwachsen. Ein „Schutzgebiet mit EU-Diplom“ nennt Freude das eingezäunte Areal. Es befindet sich an der Nedlitzer Straße im Bornstedter Feld. Uralte Eichen stehen dort, in denen der Käfer, der wegen seiner Vorliebe für den deutschesten aller Bäume auch Großer Eichenbock genannt wird, ungestört von menschlichem Tun sein Auskommen hat. Dafür, dass es dieses Waldstück überhaupt noch gibt, ist der Heldbock selbst verantwortlich. Ende der 90er Jahre sollten die Bäume eigentlich für die neue Straßenbahntrasse ins Bornstedter Feld weichen. Nachdem aber festgestellt wurde, dass der Käfer hier eine seiner deutschlandweit bedeutendsten Brutstätten hat, wurde die Trassenführung umgeplant. Die weiträumige südliche Umfahrung heißt seitdem im Volksmund „Käferkurve“.

Während es das Insekt in Westdeutschland fast gar nicht mehr gibt, hat es sich in Potsdam vergleichsweise gemütlich gemacht. „In Potsdam gibt es so viele Heldböcke wie in keiner anderen Stadt sonst in ganz Eurasien“, sagte Freude und erklärte die Landes- zur „Welthauptstadt des Heldbocks“. Am besten könne der Käfer am Fuße des Pfingstbergs, direkt an der Nedlitzer Straße, beobachtet werden. Dort seien die Bohrlöcher auch für den Laien gut zu erkennen. Die abgefallene Baumrinde wächst später wieder nach.

Der Heldbock-Käfer, so Freude, stehe als „Symbol für alte Eichen“. In denen siedelt er sich nämlich mit Vorliebe an. Je älter, je besser, auf jeden Fall aber auf Bäumen, die schon mindestens 100 Jahre auf dem Buckel haben. Davon gebe es in der Landeshauptstadt reichlich. „Potsdam sollte stolz darauf sein“, sagte der Chef des Landesumweltamtes. „Denn die Bäume und der Heldbock stehen auch für ein Stück Lebensqualität.“

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