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Wo fliegen sie denn? Flughafen-Experte Siegfried de Witt, SPD-Stadtfraktionschef Mike Schubert und Staatssekretär Rainer Bretschneider diskutierten über die Auswirkungen der künftigen Schönefeld-Flugrouten auf die Bevölkerung.

© Andreas Klaer

Von Guido Berg: „Potsdam kann mit dem Flughafen leben“

Staatssekretär gibt im Flugroutenstreit Entwarnung für Potsdam / Jet-Route über Bornstedt / Kritik an Informationspolitik

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Ist der Flugroutenstreit für Potsdam nur eine Phantomdiskussion? Brandenburgs Infrastrukturstaatssekretär Rainer Bretschneider jedenfalls meint, Potsdam werde durch die vorgesehenen Flugrouten für den neuen Großflughafen BBI in Schönefeld kaum belastet. Das erklärte er während einer Podiumsdiskussion zum Streitthema Flugrouten am Dienstagabend im Regine-Hildebrandt-Haus der SPD in der Potsdamer Alleestraße. Bretschneider: „Potsdam kann mit dem Flughafen leben“; die Stadt sei „nicht der Schwerpunkt der Belastung“. Die aufgrund des vorherrschenden Westwindes zumeist in Richtung Westen startenden etwa 130 bis 165 strahlgetriebenen Jet-Flugzeuge pro Tag werden den stark umstrittenen Flugrouten-Plänen der Deutschen Flugsicherung (DFS) zufolge in 3000 Meter über Bornstedt hinwegfliegen. Propeller-Flugzeuge dagegen nehmen eine Flugroute südlich der Stadt. „Welche Störqualität hat ein Überflug in 3000 Meter Höhe?“, fragte Bretschneider in Hoffnung, die Antwort der Allgemeinheit könne nur so lauten: Keine.

Das Publikum dagegen reagierte aufgebracht. „Sie haben den Bürgern nicht gesagt, was auf sie zukommt“, hieß es. Die nun vorgelegten Flugrouten wichen komplett ab vom Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses. Es müsse rechtlich überprüft werden, ob Bürgerrechte beschnitten worden sind.

Neben dem Moderator, SPD-Stadtfraktionschef Mike Schubert, saß außer Bretschneider noch der Flughafen-Experte Siegfried de Witt im Podium. De Witt riet den Potsdamern, sich das Geld für teure Sachverständige zu sparen. Der Rechtsweg sei nur bei Nachweis von „unzumutbarem Lärm“ erfolgversprechend. „Davon sind wir in Potsdam weit entfernt“, sagte de Witt. Er wisse, wie die Formulierung laute, die klagende Potsdamer vom Gericht zu erwarten hätten: „Die Klage ist zulässig, aber in vollem Umfang unbegründet.“ Richtig sei dagegen der politische Protest der Bürger. Dies sei „die einzige Möglichkeit, etwas zu erreichen“. Das zeige das Beispiel von Stuttgart – die Behörden müssten es lernen, die Bürger frühzeitiger und umfassender an Projekten zu beteiligen. De Witt: „Die Bürger sind heute mündiger als noch vor 20 Jahren.“ Der Bürgerprotest gegen die Flugrouten sei „das richtige Instrument“ gewesen.

Freilich übernahm auch Staatssekretär Bretschneider die am Vortag vom Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) vorgegebene Position, wonach bei den Flugrouten-Festlegungen „Kommunikationspannen“ gegeben habe. Der Vorwurf der mangelnden Kommunikation sei berechtigt, so Bretschneider, die Landesregierung hätte über die Planfeststellung für den Großflughafen hinaus hinsichtlich der Flugrouten sagen können: „Achtung, es kann sich noch etwas ändern!“. Allerdings, so fragt sich Bretschneider: „Warum hätte Stolpe, der nie für Schönefeld war, einen Kampf um die Akzeptanz von Schönefeld führen sollen?“

Bei den jetzt protestierenden Bürgern spiele „auch die Psychologie“ eine Rolle, erklärte der bisweilen dünnhäutig wirkende Staatssekretär. So gebe es eine große Aufregung in Werder, obwohl sich die Flugrouten dort gar nicht geändert hätten. Die Bürger reagierten nach dem Motto: „Wir wussten, dass sie fliegen. Aber das sie auch weiterhin fliegen werden, hat man uns nicht gesagt.“ Bretschneider erklärte weiter, er wohne seit Jahren in Potsdam-Eiche. Dort fliegen die Maschinen etwa 1200 Meter über Grund; er jedoch habe sich bis vor kurzem nie daran gestört. „Jetzt dagegen höre ich jedes Flugzeug“, so Bretschneider.

Als weiteres Beispiel für eine gewisse Unberechenbarkeit des Bürgerwillens nannte Bretschneider den Berliner Flughafen Tempelhof. Nach dessen Schließung gebe es in Berlin sogar Bürgerinitiativen, die die Wiedereröffnung des Flughafens fordern. „Dabei war Tempelhof auch nicht der Höhepunkt von Leise“, sagte der Staatssekretär, der auch noch bemerkt haben will, „dass es eher die Wohlhabenden sind, die gegen Fluglärm sind, weniger die Malocher“.

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