Landeshauptstadt: Potsdam passt nicht in einen Slogan
Ein Gespräch über Kulturmarketing, Konsens und Kosten mit Seemann und Peetz-Mühlstein
Stand:
Potsdam hat seit kurzer Zeit ein eigenes Kulturmarketing. Was kann ein solches Marketing – neben einer verbesserten Werbung für die Kultur in der Stadt – noch für Potsdam bewirken?
Birgit-Katharine Seemann: Es werden weiterhin öffentliche Gelder notwendig sein, um die Kultur in der Stadt zu fördern. Eine Aufgabe des städtischen Kulturmarketing muss es sein, zusätzliche Finanzierungsquellen zu finden, um große Projekte zu stemmen. Da orientieren wir uns an anderen Städten, wie beispielsweise Essen, Salzburg, Hamburg, von denen wir überzeugt sind, dass diese ein sehr gutes Kulturmarketing haben. Wie dort muss es auch bei uns darum gehen, die Wirtschaft zu aktivieren.
Die Wirtschaft aktivieren, heißt: Sie wollen Geld.
Seemann: Ja, wir brauchen mehr Geld auch aus der Privatwirtschaft. Dabei gehen wir von einer aktiven zu einer aktivierenden Kulturpolitik über.
Das heißt konkret?
Seemann: Aktivierend in dem Sinne, dass wir einerseits bürgerschaftliches Engagement fördern, indem wir Gelder einwerben wollen für Patenschaften für Kunst im öffentlichen Raum, oder auch für Ankäufe von Bildern oder Skulpturen. Andererseits versuchen wir Geld einzuwerben für größere Events und Ausstellungen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Seemann: Im vergangenen Jahr wäre zum Beispiel die große Ausstellung „Lebenswelten“ mit Bildern von Armin Mueller-Stahl zu nennen, die bis Anfang Februar im Alten Rathaus zu sehen war.
Wie sieht die aktuelle Arbeit im neuen Kulturmarketing aus?
Seemann: Wir müssen natürlich ganz von vorn anfangen. Denn ein städtisches Kulturmarketing hat es in Potsdam noch nicht gegeben. Jetzt sind wir in der Praxisphase. Bianka Peetz-Mühlstein hat Ende vergangenen Jahres damit begonnen, unsere Vorstellungen eines Kulturmarketings umzusetzen. Es wird noch eine weitere Personalstelle geben, die, so hoffen wir, im Laufe des Frühjahrs besetzt werden kann. Wie recherchieren und planen, ermitteln Zielgruppen, suchen Verbindungen zur Privatwirtschaft und überlegen, wie wir Potsdams Kultur besser darstellen können als prägenden Imagefaktor für die Landeshauptstadt Potsdam.
Wen meinen Sie mit Zielgruppen?
Seemann: Das sind sowohl die Touristen als auch die Potsdamer. Wir wollen auch Potsdamer Unternehmen für die Kultur in Potsdam gewinnen. Da arbeiten wir beispielsweise mit der Industrie- und Handelskammer, dem Stadtmarketing und dem Marketing-Club Potsdam zusammen, um entsprechende Netzwerke zu bilden.
Will das Kulturmarketing das Traditionelle oder eher das Neue in Potsdams Kultur besser darstellen?
Seemann: Die Ausstrahlung von Potsdams Kultur besteht in der Spannung zwischen einerseits Tradition und andererseits Moderne. In unseren kulturpolitischen Konzepten haben wir festgeschrieben, dass wir sowohl auf das Traditionelle wie beispielsweise die Museen setzen, als auch auf Modernes wie das Zentrum für Kunst und Soziokultur in der Schiffbauergasse.
Das klingt sehr allgemein. Können Sie ein aktuelles Beispiel für die Arbeit des Potsdamer Kulturmarketings nennen?
Bianka Peetz-Mühlstein: Erstmalig traten wir in diesem Jahr auf der gerade zu Ende gegangenen Internationalen Tourismusbörse in Berlin mit allen Kulturträgern Potsdams an einem Stand unter dem Motto „Kultur in Potsdam“ auf. Für diesen Auftritt haben wir eine Broschüre erarbeitet, in der sich über 50 Partner darstellen. Ziel ist es, gemeinsam die Vielfalt der Potsdamer Kultur zu präsentieren und neue Gäste zu werben.
Ist diese Broschüre nur für die Internationale Tourismusbörse bestimmt?
Peetz-Mühlstein: Nein, sie wurde dort zwar zum ersten Mal präsentiert, ist ab sofort aber das ganze Jahr in Potsdam kostenlos erhältlich. Das ist kein lückenloser Veranstaltungskalender, eher ein Katalog, in dem sich die Kultureinrichtungen vorstellen.
Ein Kulturmarketing in Potsdam also als Versuch, die Vielzahl der Angebote zu bündeln?
Seemann: Ja, wir versuchen zu bündeln. Denn es wird ja oft als Manko bezeichnet, dass es in Potsdam so viel Kultur gibt, aber die Ausstrahlung nach außen nicht dieser Vielzahl entspricht.
Gibt es Schwierigkeiten, alle Kulturschaffenden dieser Stadt zusammenzubringen?
Peetz-Mühlstein: Der Wunsch, gemeinsame Aktionen durchzuführen, besteht bei allen Partnern. Natürlich handelt es sich um sehr unterschiedliche Akteure und einen Konsens zu finden, ist oft schwierig, aber eine schöne und nicht unlösbare Aufgabe.
Worin bestehen weitere Aufgaben des Kulturmarketings?
Peetz-Mühlstein: Wir sind auch Berater. Das beginnt mit ganz einfachen logistischen Dingen wie Antragstellung und an welche Ämter man sich für Unterstützung wenden muss, bis dahin, wo Gelder für bestimmte Projekte eingeworben werden können. Wir geben Empfehlungen bei Finanzierungsplänen. Also ganz pragmatische Dinge, die aber helfen, eine kulturelle Veranstaltung auf den Weg zu bringen.
Ist es ein Problem für das Kulturmarketing, dass Potsdam noch immer kein klar definiertes Leitbild, kein griffiges Motto hat?
Seemann: Es wurde in letzter Zeit sehr viel Kritik an Slogans wie „Hamburg - Das Hoch im Norden“ oder in Baden-Württemberg „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ geäußert. Das ist mittlerweile zu beliebig geworden. Und ich bin mir nicht sicher, ob man eine so facettenreiche Stadt wie Potsdam mit einem Slogan auf eine Linie bringen kann. Ich denke aber schon, dass man sich auf Leitsätze verständigen sollte. Da ist Potsdam mit der aktuellen und sehr breit angelegten Kampagne um das Toleranzedikt in einem sehr guten Prozess.
Für das Kulturmarketing stehen – unter Haushaltsvorbehalt – jährlich 86 000 Euro zur Verfügung. Sie, Frau Seemann, nannten diese Summe einen Tropfen auf den heißen Stein.
Seemann: Wenn man das mit Mitteln in der freien Wirtschaft vergleicht, dann sind die 86 000 Euro das sicherlich. Wenn wir aber mit anderen Städten vergleichen, was dort für das Kulturmarketing zur Verfügung steht, ist das schon beachtlich. Dann ist das kein Tropfen auf den heißen Stein, sondern ein sehr guter Anfang.
Das Gespräch führte Dirk Becker
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