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Landeshauptstadt: Potsdam statt Peking

Wie Medaillenhoffnung Hörmann Olympia erlebt

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Der Kontrast ist erstaunlich. Gerade hat Judith Hörmann eine einstündige Trainingsausfahrt auf dem Templiner See beendet und sich in Ufernähe noch bei hoher Geschwindigkeit ein kleines Privatrennen mit einem Canadierfahrer geliefert. Nun steht sie da, beide Beine fest auf dem Boden. Die 25-jährige Rennkanutin des KC Potsdam ist die Ruhe selbst. Ganz gelassen gibt sie Auskunft über ihr Befinden nach dem bislang tiefgreifendsten Rückschlag in ihrer sportlichen Karriere.

Die dreifache Welt - und Europameisterin der Jahre 2005 und 2007 im Viererkajak wäre im Normalfall derzeit in Peking und hätte gestern im deutschen K 4 gesessen und den olympischen Vorlauf bestritten. Um dies zu erreichen, war sie zu Jahresbeginn aus Karlsruhe nach Potsdam übergesiedelt. Warum sie an der überaus anspruchsvollen Qualifikationshürde scheiterte, lässt sich schnell nachvollziehen. Anhaltende Verletzungsprobleme ließen keine richtige Saisonvorbereitung zu. „Ich lamentiere nicht herum. Ohne die erforderliche Grundlagenausdauer geht in den Ausscheidungsregatten nichts. Ich hatte in diesem Jahr stets das Gefühl, meinem eigenen Leistungsvermögen hinterher zu hängen“, sagt die Studentin der Betriebswirtschaft, die das Risiko des Ortswechsels aus dem Süddeutschen nach Brandenburg ganz bewusst in Kauf nahm. Sie löste sich dafür vom Elternhaus, was ihr als Familienmensch nicht leicht fiel und quartierte sich für“s erste unweit des Luftschiffhafens in das Studentenwohnheim in der Forststraße ein. In Karlsruhe kam sie mit ihrem Trainer nicht mehr klar. An der Havel arbeitet sie nun mit Eckehardt Sahr zusammen, der ihr viel individuellen Freiraum lässt.

An Potsdam schätzt Judith Hörmann die wasserreiche Umgebung, die im täglichen Trainingsbetrieb ungleich mehr Abwechslung als der Rheinhafen in Karlsruhe bietet. Judith Hörmann hat für sich längst den Entschluss gefasst, in Potsdam zu bleiben und an der hiesigen Universität ihr Studium zu beenden. Im September steht der Umzug in die ersten eigenen vier Wände in Potsdam-West an. Die Mittzwanzigerin wirkt in sympathischem Sinne reif als sie davon spricht, fernab von übertriebener Goldsucht neue sportliche Ziele ins Auge gefasst zu haben. Peking ist für sie auch im übertragenen Sinne sehr weit weg. Obwohl: Sie ist natürlich am Fernseher dabei, zumal jetzt auch die Wettbewerbe im Kanurennsport laufen.

Sie drückt die Daumen, bedauert ausdrücklich die gesundheitlichen Probleme Carolin Leonhardts, die zum Besetzungsumbau des Vierers zwangen. Dennoch empfindet sie auch ein gewisses Maß an Distanz. Judith Hörmann konzentriert sich auf sich und auf andere nahende Wettkämpfe, an denen sie teilnehmen wird. Ende August stehen in München die diesjährigen Deutschen Meisterschaften an. Im September startet sie bei den Studenten-Weltmeisterschaften in Belgrad. Olympia 2012 in London ist das Fernziel für die nach eigenem Bekunden im Osten Deutschlands gut klar kommende Badenerin. Auf dem Weg dorthin will Judith Hörmann die sehr guten Bedingungen beim KC Potsdam nutzen, um sich für die im Jahresrhythmus stattfindenden Welt- und Europameisterschaften zu qualifizieren.

Judith Hörmann, die sich für die Hilfsorganisation „Burundi-Kids“ engagiert, stellt sich derzeit nicht ernsthaft die Frage, ob es sich lohnt, die Entbehrungen des Hochleistungssports auch in Zukunft auf sich zu nehmen. Sie trainiert unbeeindruckt weiter und bewegt sich, wenn man das so sehen will, in den eigenen Fußstapfen. Sportlichen Erfolg hatte sie bereits hinreichend.

Thomas Gantz

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