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Unerwünscht. Der Potsdamer Müll sorgt bei einigen Schwedter Bügern für Unmut.

© Manfred Thomas

Müllentsorgung in Potsdam: Potsdam stinkt – in Schwedt

Der Restmüll der Landeshauptstadt wird bislang in einer 180 Kilometer entfernten Anlage in Schwedt entsorgt. Dagegen regt sich nun Widerstand.

Von Katharina Wiechers

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Potsdam/Schwedt - „Stadt der kurzen Wege“ lautet eines der Ziele aus Potsdams Klimaschutzkonzept – also weniger CO2-Ausstoß durch weniger Verkehr. Doch außerhalb der Stadtgrenzen scheint dieser Grundsatz nicht zu gelten, zumindest nicht, was die Abfallentsorgung betrifft. Denn schon seit Anfang 2012 lässt die Landeshauptstadt ihren kompletten Restmüll mit Lastwagen in ein Müllwerk ins knapp 180 Kilometer entfernte Schwedt fahren. Eine örtliche Bürgerinitiative wehrt sich dagegen, auch aus der Politik kommt Kritik. Momentan läuft eine Ausschreibung für die Entsorgung – das Ergebnis entscheidet darüber, wohin der Potsdamer Abfall in Zukunft gefahren wird, und ob er weiterhin quer durch Brandenburg transportiert werden muss.

Sechs bis acht Fuhren Müll gehen täglich aus Potsdam nach Schwedt

Sechs bis acht Fuhren aus Potsdam werden täglich an die Schwedter Firma Recon-T geliefert, heißt es von der Landeshauptstadt auf PNN-Anfrage. Beladen sind die Transporter mit tonnenweise Restmüll sowie dem sogenannten Sperrmüllrest – also mit dem, was vom Sperrmüll nicht mehr zu verwerten ist und deshalb entsorgt werden muss. In Schwedt wird der Abfall sortiert, zerkleinert und zu Brennstoff verarbeitet – die Verbrennung selbst erfolgt andernorts.

Doch den Anwohnern ist die Anlage trotzdem ein Dorn im Auge. Je nachdem, wie der Wind steht, stinkt es, sagt Manfred Poller. Er ist Mitglied in der nach dem Wohnviertel benannten Bürgerinitiative Monplaisir, die sich seit dem Bau vor zehn Jahren gegen das Müllwerk einsetzt. Dass Recon-T überhaupt so nah einem Wohngebiet bauen durfte, war rechtens, räumt Poller ein, der seit 30 Jahren in der Monplaisir-Siedlung lebt. „Der Mindestabstand von 300 Metern wurde gerade so eingehalten“, sagt er. Warum aber zusätzlich zu den Abfällen aus dem Landkreis Uckermark auch noch der Müll aus dem weit entfernten Potsdam in seiner Nachbarschaft entsorgt werden muss, versteht er nicht.

Die Schwedter beschweren sich über Gestank

Auch der Schwedter SPD-Landtagsabgeordnete Mike Bischoff kritisiert das scharf. „In Potsdam wird auf Straßenbahnen und Bussen für Grünen Strom geworben, und gleichzeitig lässt die Stadt den Müll durch ganz Brandenburg karren“, sagt er. Hin und zurück seien das immerhin rund 350 Kilometer – pro Fahrzeug. „Auch in der Umgebung von Potsdam soll es einige Entsorger geben“, so Bischoff. Bei der Reduzierung von CO2 sei Potsdam vorbildlich, der Öffentliche Nahverkehr zum Beispiel hervorragend ausgebaut. Offenbar verschließe man aber die Augen davor, wie viel Kohlenstoffdioxid durch die Fahrerei nach Schwedt ausgestoßen werde. „Oder man nimmt es zumindest billigend in Kauf.“

Die Stadt verweist darauf, dass Recon-T sich damals bei einem europaweiten Vergabeverfahren durchgesetzt hat. Es habe „kein wirtschaftlich günstigeres Angebot“ gegeben als jenes der Bietergemeinschaft Recon GmbH/Recon-T. Der Betrieb der Anlage sei durch die Überwachungsbehörde, also durch das Landesumweltamt, genehmigt worden. „Ein Ausschluss der Bietergemeinschaft von der Teilnahme an dem europaweiten Vergabeverfahren wäre nicht zu begründen.“

Die Stadt Potsdam verweist auf die Genehmigung durch das Landesumweltamt

Bei der Vergabe sei ein Vergleichspreis gebildet worden, der sich aus dem Entsorgungspreis des Bieters und den Transportkosten der Stadtentsorgung Step zusammengesetzt habe. Der Transport in weiter entfernte Anlagen sei kostenintensiver geworden. Doch die Vorgabe einer maximalen Entfernung im Vergabeverfahren sei „unzulässig und diskriminierend.“

Dass sich Recon-T durchgesetzt hat, obwohl die Transportkosten höher als bei näheren Entsorgungsanlagen waren, heißt also offenbar, dass in Schwedt besonders günstig entsorgt wird. „Der Verdacht liegt nahe, dass dort billige Technik eingesetzt wird, um eine sehr preiswerte Entsorgung anbieten zu können“, glaubt auch Bischoff. Bei Recon-T war man trotz mehrfacher Anfragen nicht zu einer Stellungnahme bereit. Auch, ob sich die Firma erneut um die Entsorgung des Potsdamer Mülls bemüht und sich an dem Vergabeverfahren beteiligt, war also nicht zu erfahren – davon ist wohl aber auszugehen. Erneut handelt es sich um eine europaweite Ausschreibung, der Auftrag ist ab dem 1. Mai zu vergeben.

Bei der nächsten Ausschreibung soll auch Umweltrelevanz geprüft werden

Dieses Mal hat die Stadt nach PNN-Informationen zwei Beratungsunternehmen für die Vergabe beauftragt. Sie sollen ein neues Kriterium für die Bewertung der Angebote erarbeiten und auch die „Umweltrelevanz“ mit einbeziehen. Laut offizieller Mitteilung der Stadt ist ein Punktesystem geplant, mit dem eine möglichst nahe Entsorgung honoriert werden soll. Dann wird sich zeigen, ob sich wieder eine 180 Kilometer entfernte Anlage durchsetzen wird.

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