Von Juliane Wedemeyer: Potsdam will neues Kommunalgesetz kippen Knappe Mehrheit für Klage / Befürworter argumentieren mit Kommentaren von Juristen
Die Stadt Potsdam muss gegen die neue Kommunalverfassung klagen. Das haben die Stadtverordneten gestern nach einer langen Debatte mit 27 zu 21 Stimmen entschieden.
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Die Stadt Potsdam muss gegen die neue Kommunalverfassung klagen. Das haben die Stadtverordneten gestern nach einer langen Debatte mit 27 zu 21 Stimmen entschieden. Die seit Ende September geltende Kommunalverfassung legt unter anderem die Mindeststärke für eine Fraktion auf vier Stadtverordnete fest. Diese aber sichert ihnen eine Aufwandsentschädigung, Büros sowie Sitze und Stimmrechte in den jeweiligen Fachausschüssen zu. Davon ausgenommen sind derzeit die Fraktion Die Andere, das Bürgerbündnis und die DVU mit jeweils weniger als vier Stadtverordneten. Sie bezeichnen diese Regelung ebenso wie die Linke als ungerecht und wollen sie mit einer Klage kippen.
Den Antrag eingebracht hatte die Wählergruppe Die Andere, die dieses Jahr durch die Verfassungsänderung ihren Status als Fraktion verloren hatte. Gegen den Antrag sprachen sich die beiden Fraktionen der CDU und der SPD aus. Die FDP/Familienpartei war sich nicht einig, zwei Mitglieder stimmten dafür, zwei enthielten sich.
Bürgermeister Burkhard Exner hatte die Stadtverordneten im Vorfeld gebeten, dem Votum des Hauptausschusses zu folgen. Der hatte vergangene Woche beschlossen, den Antrag der Anderen abzulehnen. Die Klage hätte zwar eine große Chance beim Landesverfassungsgericht zugelassen zu werden, aber wenig Chancen auf Erfolg, sagte Exner. Er berief sich dabei auf den die Stadt beratenden Rechtsanwalt Matthias Dombert. Die Klage könnte nur erfolgreich sein, wenn das neue Gesetz die Selbstverwaltungshoheit der Kommune verletzten oder aber die Fraktionsgrenze bei vier Stadtverordneten willkürlich festgesetzt worden sein. Dombert erklärte zuletzt, er könne dabei keine Willkür erkennen. „Bei einer nicht so ganz billigen Klage, müsste man sogar fragen, ob das dann nicht mutwillige Geldverschwendung sei“, sagte Exner. Vor dem Hauptausschuss hatte Oberbürgermeister Jann Jakobs von Kosten im hohen fünfstelligen Bereich gesprochen.
Lutz Boede von den Anderen gab zu bedenken, dass es noch andere Experten neben Dombert gebe und zitierte aus dem „Potsdamer Kommentar zur Gemeindeordnung“, den Michael Muth, Ministerialdirigent a. D. sowie mehrere Ministerialräte und Rechtsanwälte verfasst haben: „Die Novellierung .... scheint unter diesen Gesichtspunkten bedenklich, weil es die Teilnahme örtlicher Wählergruppen am Entscheidungsprozess der Gemeinde erschwert.“ Und: „Kommunale Selbstverwaltung macht Demokratie für die Bürger erlebbar und ist durch Einräumung bürgerlicher Mitverantwortung und Mitentscheidung ein Garant gegen Untertanengeist.“
Auch Grünen-Fraktionschef Nils Naber räumt einer Klage Erfolgschancen ein: „Die neue Verfassung beschneidet objektiv das Selbstverwaltungsrecht der Kommune. Dazu gehört auch, dass sie selbst entscheiden kann, wie groß ihre Fraktionen sein dürfen.“ Vor der Gesetzesänderung hätte die Stadt das gedurft.
Linke-Stadtfraktionschef und Landtagsabgeordneter Hans-Jürgen Scharfenberg sagte, er sei bei den Abstimmungen zur neuen Kommunalverfassung im Landesparlament dabei gewesen. Die Fraktionsstärke hätte dabei kaum eine Rolle gespielt. „Heute bedaure ich das.“ Dem widersprach SPD-Stadtverordnete Klara Geywitz, die ebenfalls im Landtag sitzt. Die SPD-CDU-Koalition auf LAndesebene habe sich ganz bewusst für die Fraktionsmindestgröße von vier Stadtverordneten entschieden, sagte sie. Man habe damit einen Anreiz schaffen wollen, dass sich Stadtverordnete mehrerer Gruppen zu Fraktionen zusammenschließen.
Scharfenberg wies zudem Exners Einwand zurück, dass die Klage zu teuer sei. „Das ist keine Frage der Kosten. Es ist eine Frage der Arbeitsfähigkeit der Stadtverordnetenversammlung und es ist eine Frage der Organisationshoheit unserer Stadt“, sagte er. Ute Bankwitz vom Bürgerbündnis pflichtete ihm bei: „Demokratie sollte man nicht an solchen Summen scheitern lassen.“ Martina Engel-Fürstberger sagte, ein Rechtsexperte der Battis-Kommission habe ihr versichert, die Kosten der Klage würden insgesamt nicht mehr als 10 000 Euro betragen.
Juliane Wedemeyer
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