Potsdam: „Potsdam wird auch Berlin in den Schatten stellen“
„Friederisiko“-Organisator Jürgen Luh über den Menschen Friedrich, die Vorbereitungen zur Ausstellung und sein Lieblingsexponat aus dem Louvre
Stand:
Herr Luh, seit fünf Jahren beschäftigen Sie sich mit den Vorbereitungen für „Friederisiko“, die große Jubiläumsausstellung zum 300. Geburtstag Friedrichs II. Erscheint Ihnen der König manchmal im Schlaf?
Nein, nicht ein einziges Mal. Er hat meine Freizeit zwar in den letzten zwei Jahren sehr in Anspruch genommen wegen des Buchs („Der Große – Friedrich II. von Preußen“ – Anm. d. Red.), alle Urlaube und alle Wochenenden sind draufgegangen. Friedrich hat meinen Tagesrhythmus bestimmt, nicht meine Träume.
Sie haben das Leben des Königs auf 288 Seiten ausgebreitet. Wie würden Sie ihn in aller Kürze beschreiben?
Friedrich war selbstbezogen. Er wollte als Großer in die Geschichte eingehen und hat alles diesem Ziel untergeordnet. Das hat er am Ende auch geschafft, aber auf Kosten persönlicher Bindungen und auf Kosten der sympathischen und gewinnenden Züge, die er ja durchaus hatte. Er konnte nicht gut mit Menschen zusammensein. Mit Voltaire hat es nur funktioniert, wenn er weit weg war. Manchmal hat Friedrich darunter gelitten, aber ich denke, er hätte es immer wieder so gemacht.
War Friedrich womöglich menschenscheu?
Das würde ich nicht sagen, aber er wollte die Menschen dominieren. Er hat sich immer über die anderen gestellt, als König, als Persönlichkeit, als Mann von Geist. Er fand nie einen Draht zu irgendjemandem auf persönlicher Ebene und das ist schon traurig für ihn. Allerdings hat er Zuneigung zu dem einen oder anderen schönen Pagen gefasst. Man weiß ja, dass er sich mit seinem Bruder Heinrich um einen Pagen gestritten hat. Die persönlichste Beziehung war wohl die zu seinem Kammerdiener Fredersdorf.
Ein Beleg für Friedrichs Homosexualität, die ja unter Historikern umstritten ist?
Ich glaube schon. Die Homosexualität ist deshalb umstritten, weil sie einfach nicht sein durfte. Das ist ein Phänomen des 19. und auch noch des 20. Jahrhunderts. Man wollte sich nicht eingestehen, dass der König homosexuell gewesen sein kann und trotzdem ein großer Mann.
Größe ist ja relativ. Mal auf das rein Menschliche heruntergebrochen – was war gut an Friedrich und was schlecht?
Was mir sehr an ihm gefällt, ist seine Freude am Essen und Trinken. Er war ein Genussmensch, das finde ich sympathisch. Ich finde auch positiv, dass er nicht so sparsam war, wie dargestellt. Und mich beeindruckt sein unbedingter Wille, zu lernen, zu lesen, etwas aus sich zu machen. Negativ ist, dass seine Hartnäckigkeit oft in Eigensinn umschlug. Seine Mitmenschen behandelte er oft von oben herab und spöttisch, mit beißendem Humor, der andere oft verletzte.
Ein Beispiel?
Der Marquis d’Argens. Den brauchte Friedrich, denn er war ein intelligenter Berater und doch machte er ihn gern schlecht. Die Wohnung, die der Marquis im Neuen Palais bekam, ist ja mit diesen überdimensionierten „Fête Galante“-Gemälden ausgestattet, die meist vergnügliche ländliche Szenen mit elegant kostümierten Gesellschaften und galanten Paaren zeigen. Wenn man nun weiß, dass der Marquis geschrieben hat, nur Idioten sammeln „Fête Galante“-Gemälde, und er dann eine Wohnung angewiesen bekommt, die mit diesen Gemälden ausgestattet wurde, dann ist das schon bitterböse.
Und „Friederisiko“ wird all das zeigen?
Ja. Das Neue Palais zum Beispiel bietet uns Anknüpfungspunkte, um seine Ruhmsucht zu verdeutlichen. Im Bereich „Körper und Seele“ veranschaulichen wir die Beziehung zu seinem Vater und zu seinem Nachfolger. Sein Streben nach Ruhm und Größe kann man an seinen Gemälden ablesen. Seine Eigenschaft, immer überlegen sein zu wollen, sieht man daran, wie viel Trophäen er aus Sachsen mitgebracht hat. So etwas wollen wir herausarbeiten und den Besuchern vor Augen führen. 1986 hat es zwar schon zwei Ausstellungen gegeben, eine schlechtere im Schloss Charlottenburg und eine bessere im Neuen Palais ...
... die DDR-Ausstellung war besser?
Ich fand sie besser, ja. Diese Schau war auf den Punkt gebracht. Man hat nicht den ganzen Friedrich gemacht, sondern sich auf die Kunst konzentriert, während man in Charlottenburg das Leben von der Wiege bis zur Bahre und die Rezeption gezeigt und sein Leben einfach nur mit Objekten illustriert hat. Den Bezug Friedrichs zur Kunst fand ich einfach besser. Außerdem war das Neue Palais ein schönes Ambiente, auch damals schon.
Wie weit sind sie denn mit den Vorbereitungen für die Ausstellung?
Absolut im Plan. Wir haben begonnen, im Neuen Palais den Weg durch die Ausstellung zu verlegen. Ab April fangen wir dann an, die Kunst und die Ausstellungsobjekte aus aller Welt einzubringen.
Rund 450 Exponate sollen gezeigt werden. Sind schon alle angekommen?
Nein, die Ausstellungsarchitektur muss vorher fertig sein, damit die Kunstobjekte sicher gehängt und gestellt werden können. Wir fangen mit unseren eigenen Objekten an. Auch da gibt es ganz spannende Entdeckungen.
Welche denn?
Dass die Stiftung ein Gemälde des Lordmarschalls Keith besitzt. Es war im Depot und unter einem anderen Bild versteckt, zwei Leinwände waren einfach übereinandergespannt, warum, wissen wir nicht. Das war eine schöne Entdeckung. Von Keith gibt es nicht so viele wirklich gute Porträts. Die Büste der „Madame Pompadour“ aus dem Metropolitan-Museum in New York kommt erst in letzter Minute, ebenso der berühmte „Nackte Voltaire“, der erstmals aus dem Louvre ausgeliehen wird.
Haben Sie ein Lieblingsstück?
Ich mag den „Nackten Voltaire“ sehr. Das ist ein tolles Objekt von Pigalle mit einer großartigen Geschichte. Denn daran kann man Friedrichs Willen sehen, doch ein freundschaftliches Verhältnis zu bestimmten Menschen zu pflegen. Bei Voltaire schafft er es auf indirektem Weg. Es war etwas Außergewöhnliches, dass für einen Schriftsteller und Philosophen eine Skulptur geschaffen wurde und noch dazu von Jean-Baptist Pigalle, einem der berühmtesten Bildhauer seiner Zeit. Das Geld sammelten Privatleute. Voltaire schrieb an den Philosophen d’Alembert, er erwarte eigentlich noch eine Entschuldigung von Friedrich, weil er schlecht behandelt worden war. D’Alembert stellte das an Friedrich durch und der gab tatsächlich eine ganz erkleckliche Summe für diese Skulptur. Das war eine indirekte Entschuldigung des Königs, die Voltaire erkannte und für die er sich auch bei ihm bedankte.
Die Ausstellung von 1986 hatte 250 000 Besucher. Was macht sie so sicher, diese Zahl übetreffen zu können?
Das Interesse an Friedrich ist immer noch sehr groß – und das Neue Palais hält einige Überraschungen parat. Ich glaube, dass die Leute deshalb kommen, weil wir in einer Zeit leben, in der wir Friedrich als Menschen neu und entspannter entdecken können. Die ideologischen Gefechte um den König gibt es ja nicht mehr.
Wenn man an den 300. Geburtstag Friedrichs denkt, mit der Parade der Traditionsvereine am Grab und den Protesten der Linksalternativen, hatte man aber einen ganz anderen Eindruck.
Ich fand das nicht ideologisch. Wäre es ideologisch gewesen, hätte es eine Straßenschlacht gegeben zwischen den Traditionsvereinen und den Linken. Der Aufmarsch der Regimenter, das waren nur ein paar, die gerne in ihren Kostümen rumlaufen, die sie sich mal selbst genäht haben – wen kümmert’s? Und der Protest der Linken? Da wurde nicht mal mit einer Stimme gesprochen. Ich fand das eher folkloristisch. Es gibt eben keine ideologischen Auseinandersetzungen um Friedrich mehr.
Was wird die Ausstellung „Friderisiko“ für Potsdam bringen?
Es werden viele Touristengruppen kommen, die Buchungen sind schon jetzt sehr, sehr gut. Seit dem Start des Online-Ticketshops wird zunehmend auch von Individualtouristen gebucht – aus Südafrika, Portugal, Spanien und Südamerika – und die werden sich natürlich auch die Stadt ansehen. Da wird Potsdam ziemlich im Fokus stehen und wahrscheinlich auch Berlin in dieser Zeit in den Schatten stellen.
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