
© A. Klaer
Kolumne PYAnissimo: Potsdamer Modell der Schädlingsbekämpfung
Die Katze hat Flöhe. Also hatte, hoffe ich.
Stand:
Die Katze hat Flöhe. Also hatte, hoffe ich. Und es war meines Wissens auch nur einer, obwohl der Tierarzt sagte, da könnte mehr los gewesen sein. Jedenfalls hab ich den einen rechtzeitig erwischt, bevor er mich beißen konnte (es bin immer nur ich, die gebissen wird, den Mann erwischt es nie, das mal am Rande). Es war so: Auf der Decke liegt da dieser Krümel, ich will ihn mit der Hand wegfegen. Doch der springt ganz von allein weg, landet auf dem Boden. Reflexartig trete ich drauf, stampfe wütend und panisch drauf herum. Aber er sitzt nur da, irgendwie perplex, weil man meint, ihn zertreten zu können. Er rappelt sich, torkelt ein wenig im Kreise, ich zücke ein Tempotaschentuch und fange ihn damit. Und ab gehts in ein Marmeladenglas. Als Beweismittel vor dem Mann und der Autorität: dem Tierarzt.
Ich bin sehr stolz, als ich in der Praxis meine Beute vorzeigen kann. Das ist ein bisschen wie in der Schule, wenn man das Herbarium endlich fertig hatte. „Ja, ist ein Katzenfloh“, sagt der Arzt abgeklärt. „Unangenehm. Kann schnell eine Plage werden. Wir sollten etwas unternehmen.“ Das Tier bekommt also seine Tropfen und meidet mich, die Verräterin, für den Rest des Tages.
Abends räume ich meine Handtasche auf und finde das Glas. Mit dem Floh. Er lebt noch. Er hat ja auch reichlich Luft, denke ich, in dem Container. Ich beobachte ihn ein Weilchen. Er ist tatsächlich platt wie eine Flunder, aber sicher nicht von meiner Schuhsohle. Er läuft ab und zu ein paar Schritte, wackelt dabei hin und her, Schlagseite wie ein Betrunkener mit Hüftschmerzen. Was mache ich jetzt mit ihm? Es ist absurd: Ich habe einen Floh übrig! Springlebendig und sicher verwahrt. Bald wird er Hunger haben. Füttern fällt natürlich aus. Soll er sterben? Soll ich ihn entsorgen? Aber wo, damit er nicht wieder irgendwo aufspringt? Oder lässt sich im Sinne politisch korrekter Nachhaltigkeit sogar eine sinnvolle Wiederverwendung für ihn finden? Hat mich jemand genervt in letzter Zeit? Gibt es irgendwelche Antipathien, die ich endlich mal ausleben möchte?
Meine Gedanken galoppieren. Ist es strafbar, einen hungrigen Floh auf einer Fußmatte zu verlieren? Wen möchte ich vorübergehend außer Gefecht setzen? Plötzlich stelle ich mir vor, wie bei der nächsten Pogida-Demo der Sprecher am Mikro rumhampelt, zappelig und unkonzentriert wird, den Faden und das Manuskript verliert, die Demo vorzeitig auflöst. Und nie wieder nach Potsdam kommt.
Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg
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