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Auf der Suche. Polizisten gestern Mittag bei eisigen Temperaturen auf der Freundschaftsinsel.

© Andreas Klaer

Von Henri Kramer: Potsdamer Polizei sucht Babyleiche

Verdacht auf Tötung eines Säuglings / Mutter will Kind tot geboren und auf Freundschaftsinsel gelegt haben

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Es ist ein grauenhafter Verdacht: Eine Potsdamerin hat möglicherweise ihr neugeborenes Kind getötet und den Leichnam auf der Freundschaftsinsel abgelegt. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft gestern in einer gemeinsamen Mitteilung erklärten, werde gegen die Frau wegen des Verdachts auf Totschlag ermittelt. Dutzende Polizisten begannen mit einer bisher ergebnislosen Suchaktion auf der Garteninsel neben der Langen Brücke.

Sollte sich der Verdacht auf Totschlag bestätigen, wäre es der erste Fall einer Säuglingstötung in der Landeshauptstadt nach 1989, hieß es bei der Polizei. Die Potsdamerin geriet unter Verdacht, nachdem sie am Dienstag wegen akuter Unterleibsschmerzen im Klinikum „Ernst von Bergmann“ behandelt wurde, so die Ermittler. Ein Gynäkologe, der sie untersuchte, stellte den Angaben nach fest, dass die Frau vor „einiger Zeit“ entbunden haben muss. Allerdings hätten sich keine Unterlagen über die Entbindung oder die Identität des Kindes finden lassen, hieß es weiter. Gegenüber dem Arzt habe die Frau schließlich erklärt, sie habe bereits Ende November 2009 selbst ein Kind entbunden – allerdings totgeboren.

Da die Frau in der Folge wegen ihrer Unterleibsbeschwerden „intensiv“ medizinisch behandelt wurde, konnte sie erst am Donnerstag von Ermittlern vernommen werden, hieß es bei der Staatsanwaltschaft. In dem Gespräch habe die Potsdamerin nach PNN-Informationen gesagt, sie habe das tote Kind in Panik zur Freundschaftsinsel gebracht.

Den genauen Ort nannte die Verdächtige dabei offenbar nicht. Die bei den Potsdamern beliebte Insel wurde gestern großflächig von Polizisten abgesucht. Die Aktion wurde durch eisige Kälte und Schneefall erschwert. Die Suche endete bei Einbruch der Dunkelheit. Weite Teile des Areals waren tagsüber mit weiß-rotem Flatterband abgesperrt, es waren kaum Fußgänger zu sehen. Ab Mittag durchkämmten rund 50 Polizisten das Gelände mit Stangen, um zwischen Sträuchern möglicherweise den Leichnam zu finden. Zwei Leichenspürhunde waren im Einsatz. Den Uferbereich der Insel suchten Taucher in kälteabweisenden Neopren-Anzügen ab. Auf der Alten Fahrt kreuzten Schiffe der Wasserschutzpolizei. Für die Polizisten gab es heißen Tee und Verpflegung.

Zur Identität der verdächtigen Frau wurde gestern außer ihrem Wohnort nichts bekannt. Offiziell geschah dies aus „ermittlungstaktischen Gründen“, dem Vernehmen aber auch deswegen, weil der Verdacht ohne einen zu untersuchenden Leichnam noch nicht erhärtet sei. Auch ein Haftbefehl gegen die Verdächtige wurde nicht erlassen, bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft den PNN – dies werde erst geprüft, wenn der Leichnam des Kindes gefunden und untersucht sei. Auch die Potsdamer Stadtverwaltung reagierte. Das Jugendamt sei informiert und kümmere sich, sagte eine Sprecherin der Verwaltung: „Im Vordergrund steht zunächst einmal der Schutz der Familie.“ Für Montag kündigte sie eine Stellungnahme der Verwaltung an.

Sollte es sich bei dem Fall um Totschlag handeln, könnte dies eine Diskussion über den Sinn von so genannten Babyklappen auslösen, die es Müttern oder Vätern ermöglichen sollen, ihr Neugeborenes anonym zur Adoption freizugeben. In Potsdam gibt es so eine Klappe am St. Josefs Krankenhaus. Dort wurden seit 2003 vier Kinder abgelegt. Zuletzt hatte sich der Deutsche Ethikrat, ein unabhängiges Sachverständigengremium, gegen solche Lösungen ausgesprochen, sie seien „ethisch und rechtlich sehr problematisch“. Dagegen sagte gestern die Chefin des Josef-Krankenhauses, Adelheid Lanz: „Wir halten an diesen Einrichtungen fest, da wir das Lebensrecht höher einschätzen als das Recht auf Herkunftswissen.“ Im jetzigen Fall in Potsdam hat aber auch möglicherweise eine Babyklappe kein Leben retten können.

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