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Potsdamer Probleme und Auseinandersetzungen. Für die Rückzahlung von Kitagebühren demonstrierende Eltern, steigende Mieten für Wohnungen, die Verkleinerung des Volksparks, die täglichen Staus. Für all diese Themen soll die künftige Oberbürgermeisterin oder der Oberbürgermeister Lösungen finden.

© Montage: Andreas Klaer

Oberbürgermeisterwahl Potsdam: Potsdamer Problemzonen

Am Sonntag entscheiden die Potsdamer, wer die Landeshauptstadt in den nächsten acht Jahren regieren soll. Ein Überblick über die wichtigsten Aufgaben für die neue Chefin oder den neuen Chef im Rathaus.

Potsdam boomt: Familien zieht es in die Stadt, Touristen sowieso, die Wirtschaft wächst. Doch die Schattenseiten dieser Entwicklung haben weite Teile des Oberbürgermeisterwahlkampfs dominiert: Bezahlbare Wohnungen sind Mangelware, die Stadt kommt bei der Schaffung von Schulen und Kitas kaum hinterher, auch eine Lösung der chronischen Verkehrsprobleme steht aus. Die PNN geben einen Überblick über die wichtigsten Themen, mit denen sich Mike Schubert (SPD) oder Martina Trauth (parteilos, für die Linke) werden auseinandersetzen müssen, wenn sie die Oberbürgermeisterwahl am Sonntag gewinnen.

Teures Wohnen

Für normale Arbeitnehmer inzwischen fast gänzlich unbezahlbar sind neue Eigenheime in Potsdam, sie kosten in der Regel ab 500 000 Euro aufwärts. Aber auch die Mieten in Potsdam sind in den vergangenen Jahren in vielen Segmenten gestiegen. Im Durchschnitt zahlen Potsdamer Mieter für nicht geförderte Wohnungen 6,79 Euro pro Quadratmeter ohne Nebenkosten. Das geht aus dem im August veröffentlichten aktuellen Mietspiegel hervor. Allerdings erfasst der Mietspiegel nur Mieten im Bestand. Wer aber jetzt eine neue Wohnung sucht, muss in der Regel deutlich mehr zahlen – nämlich rund zehn Euro, Tendenz steigend. Diese Entwicklungen wollen beide Kandidaten stoppen, etwa mit mehr Konzeptvergaben kommunaler Grundstücke statt Ausschreibungen zum Höchstgebotsverfahren. Um etwas Druck vom Wohnungsmarkt zu nehmen, soll in den kommenden Jahren auf dem ehemaligen Kasernengelände Krampnitz ein neuer Vorzeige-Stadtteil errichtet werden – für bis zu 10 000 Bewohner. Ein weiteres Mammutprojekt ist die geplante Sanierung der kommunalen Pro-Potsdam-Wohnungen im bisherigen Problemviertel Schlaatz.

Kampf dem Dauerstau

Die ohnehin schwierige Verkehrslage in Potsdam dürfte sich in den nächsten Jahren noch mehr verschärfen: Es stehen neue Großbaustellen an. Erst der Umbau des Leipziger Dreiecks und dann der Neubau der Langen Brücke, während parallel das Land die Brücken der Nutheschnellstraße erneuern will. Bis 2025 soll zudem die Tramlinie nach Krampnitz gebaut werden. Der neue Rathauschef wird versuchen müssen, den Unmut der Autofahrer zu kanalisieren und möglichst auch das ganz große Stauchaos zu verhindern, vielleicht auch mit Nacht-Baustellen. Daneben muss ein neuer Oberbürgermeister den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und des Radwegenetzes – auch für E-Bikes – vorantreiben, um die verstopften Straßen nicht noch stärker zu belasten. Das alles wird Millionenbeträge verschlingen, vor allem der Ausbau des Tramnetzes, für das auch noch neue Bahnen bestellt und gekauft werden müssen. Eine Zusammenarbeit mit den Umlandgemeinden kann durchaus sinnvoll sein, etwa um Druck auf das Land auszuüben, damit die Bahnanbindung der Stadt verbessert wird.

Grünflächen erhalten

Zuletzt hat es bei jedem Neubauprojekt, das die Rodung von Wald zur Folge hat, heftige Debatten gegeben – sei es zu einem geplanten Schulcampus in der Waldstadt oder zu einem möglichen Sportplatz in Nord-Babelsberg. Auch die schon vor Jahren festgelegte Verkleinerung des Volksparks im Bornstedter Feld zugunsten von neuen Wohnblocks muss der neue Rathauschef entweder durchfechten, stoppen – oder einen Kompromiss finden. Das könnte etwa der von der CDU vorgeschlagene sein, wonach der Park zwar verkleinert wird, aber eben nur für eine neue Kita. Ein neuer Oberbürgermeister wird künftig eine klare Linie haben müssen, wie mit öffentlichen Grünflächen umgegangen wird, wann sie geopfert werden – und wann besser nicht. Besser als bislang gemanagt werden muss auch der Konflikt zwischen den Bedürfnissen der wachsenden Stadt und den Belangen des Welterbes. Das beste Beispiel dafür ist das umstrittene Wohnungsbauprojekt am Rande des Babelsberger Parks im Zentrum Ost, das, sollte es so wie geplant umgesetzt werden, Potsdam mit dem Verlust des Unesco-Titels teuer bezahlen könnte. Da Flächen für den Wohnungsbau rar werden, sind auch innovative Ideen gefragt. So sorgte erst jüngst die Ankündigung von Aldi für Aufsehen, auf einem neuen Markt auch mehr als 30 Wohnungen zu bauen. Das Modell ließe sich durchaus auch auf Parkhäuser anwenden.

Von Kita bis Pflege

Zu den meistdiskutierten Fragen der vergangenen Monate gehörte die angekündigte freiwillige Rückzahlung von zu hoch angesetzten Kitabeiträgen in Potsdam: Hier wird ein künftiger Rathauschef nach den derzeit laufenden Verhandlungen mit Elternvertretern einen Vorschlag machen und sich dafür Mehrheiten im Stadtparlament sichern müssen. Darüber hinaus bleibt die rechtzeitige Fertigstellung von benötigten Kitas ein Hauptthema. Auch die Frage, wie viele kommunale Kitas die Stadt überhaupt braucht und auch qualitätvoll selbst betreiben kann, stellt sich. Akut bleibt zudem der seit Jahren angekündigte Kitaplatz-Navigator. Angesichts der demografischen Entwicklung werden aber auch die Belange älterer Menschen in Potsdam immer wichtiger, Stichwort Pflegenotstand und fehlende Barrierefreiheit, gerade auch im öffentlichen Nahverkehr. Denn der Verkehrsbetrieb ist angesichts der wachsenden Fahrgastströme noch immer gezwungen, auch die nicht barrierefreien Tatra-Bahnen einzusetzen.

Nötige Reformen im Rathaus

Im Wahlkampf waren sich fast alle Kandidaten einig: Im Rathaus müssen Strukturen verändert werden, das Thema Wirtschaft muss höhere Priorität erhalten, auch die nötige gemeinsame Planung von Kitas und Schulen ist unstrittig. Schwieriger anzugehen sind da der Kampf gegen den hohen Krankenstand im Rathaus und der Fachkräftemangel. Dieser führt dazu, dass einige Amtsleiterstellen – nicht zuletzt in so wichtigen Bereichen wie Digitalisierung – aktuell unbesetzt sind. Ein Problem dabei: Neu-Potsdamer, die sich von außerhalb im Rathaus bewerben, müssen hier erst einmal eine Wohnung finden. Ein langwieriges Projekt ist zudem der Umbau des Verwaltungscampus an der Hegelallee, der modernen Anforderungen längst nicht mehr genügt. Das alles kostet natürlich Geld: Trotz sprudelnder Steuereinnahmen muss jeder Rathauschef stets den seit Jahren steigenden Schuldenstand der Stadt im Blick behalten. Zudem ist der Oberbürgermeister auch oberster Gesellschafter der großen, nicht immer einfach zu führenden kommunalen Unternehmen – von den Stadtwerken über die Bauholding Pro Potsdam bis zum Bergmann-Klinikum.

Platzfragen im Sport

Während im Bundesdurchschnitt 32,2 Prozent aller Bürger aktiv in Sportvereinen sind, kommt Potsdam auf einen Organisationsgrad von 18,2 Prozent. Damit dieser Anteil größer wird, gilt es auch hier typische Wachstumsprobleme zu lösen: Wie soll im immer dichter bebauten Potsdam der dringend notwendige Platz für Sportstätten geschaffen werden? Gibt es bald den ersten Sportplatz auf einem Schuldach? Generell wird vielfach eine größere Transparenz bei der Vergabe von Trainingszeiten auf den bestehenden Sportplätzen gefordert. Geprüft wird aktuell auch, ob ein weiteres Kiezbad für den Norden der Stadt nötig ist, gerade für Schwimmschüler. Auch die Wirtschaftlichkeit der defizitären MBS-Arena ist bisher ein ungelöstes Problem.

Kulturbaustelle Rechenzentrum

Die größte Kulturbaustelle der nächsten Jahre ist der vorgesehene Ersatzbau für das Rechenzentrum, der bis 2023 im Umfeld der im Wiederaufbau begriffenen Garnisonkirche errichtet werden soll. Zu den Dauerproblemen im Kulturbereich zählen fehlende Bandprobenräume und die Frage, wie man die Schiffbauergasse als wirklichen Kreativstandort mit Aufenthaltsqualität etablieren kann. Ferner geht es in den nächsten Monaten um ein neues Modell für das alternative Jugendzentrum „Freiland“.

Symbolfragen

An besagtem Beispiel Rechenzentrum und Garnisonkirche zeigt sich: Gerade bei Symbolthemen muss ein Rathauschef mit großer Sensibilität die konkurrierenden Interessen moderieren – letztlich aber auch Entscheidungen treffen. Das gilt auch beim Terrassenrestaurant Minsk auf dem Brauhausberg, über dessen Erhalt und Abriss seit Monaten gestritten wird. Ähnlich aufgeladen könnte die Debatte geführt werden, wenn 2022 das Moratorium für den Wohnblock Staudenhof am Alten Markt endet: Abriss? Neubau? Etwas weniger symbolisch, aber für die Stadt seit Jahren defizitär ist die Tropenhalle Biosphäre – auch hier wird aktuell nach einem tragfähigen Konzept gesucht. Übrigens: Das Thema Flüchtlinge, das andernorts zur Zerreißprobe wird, spielte im Wahlkampf nur am Rande eine Rolle. In einer Stadt wie Potsdam, die seit Jahren für Toleranz steht, sollte der künftige Rathauschef auch das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ fortführen.

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