Interview zum Frauentag: Potsdamerinnen verdienen mehr
Ilka Schadow, die Beauftragte für Chancengleichheit bei der Potsdamer Arbeitsagentur, spricht im Interview über den Lohnunterschied bei Frauen und Männern und Lücken bei der Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt.
Stand:
Frau Schadow, bundesweit hört man immer wieder vom Unterschied in den Löhnen von Frauen und Männern. Wie sieht die Situation in Potsdam aus?
Es gibt Unterschiede – aber andere, als wir vermuten würden: Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gibt es deutschlandweit eine Lücke von 16 Prozent.
Frauen verdienen 16 Prozent weniger als Männer?
Genau. Für die Studie wurden im Jahr 2013 die Bruttolöhne der Vollzeitbeschäftigten untersucht, Teilzeitangestellte sind dabei nicht berücksichtigt. Es gibt aber große Ost-West-Unterschiede: Im Osten liegt die Lücke bei minus zwei Prozent, in der Stadt Potsdam sogar bei minus 3,6 Prozent.
Die Potsdamerinnen verdienen also 3,6 Prozent mehr als die Potsdamer?
Der Median – das ist ein Mittelwert – bei den Bruttolöhnen der Männer liegt in Potsdam bei 2646 Euro, bei den Frauen sind es dagegen 2742 Euro. Im Landkreis Potsdam-Mittelmark liegt die Differenz bei minus 0,8 Prozent – ist also fast ausgeglichen.
Wie erklären Sie sich diese erstaunlichen Zahlen?
Wir vermuten, dass einerseits das allgemein niedrigere Lohnniveau im Osten eine Rolle spielt: Im Westen gibt es bestimmte Hochlohnregionen, wo vor allem Männer in weit überdurchschnittlich bezahlten Jobs in der Industrie die Statistik sprengen. Hier im Osten haben wir dagegen hauptsächlich kleinere Betriebe ohne Tarifbindung und mit entsprechend niedrigeren Löhnen. Andererseits arbeiten relativ viele Frauen im öffentlichen Dienst – und da gibt es wiederum Tariflöhne.
Um die geschlechtergerechte Entlohnung müssen Sie sich als Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt also weniger Sorgen machen. Wo gibt es noch Nachholbedarf?
Das fängt schon an, wenn es um die Berufsorientierung geht, also in der Schule. Es ist zwar so, dass Mädchen statistisch die besseren Noten, höhere Schul- und Berufsabschlüsse erreichen, sich allerdings auch stärker auf typisch weibliche Berufe einschränken.
Zum Beispiel?
Die drei beliebtesten Berufe bei unseren Ausbildungsstellenbewerberinnen sind immer noch Kauffrau im Büromanagement, Kauffrau im Einzelhandel und Verkäuferin. Unter den Top Ten gibt es keinen einzigen Beruf im technischen oder handwerklichen Bereich, obwohl die jungen Frauen da ebenfalls sehr gute Berufsaussichten hätten.
Sind junge Männer denn flexibler?
Zumindest etwas. Zwar findet sich dort der Kfz-Mechatroniker nach wie vor an der Spitze und es gibt keinen sozialen Beruf unter den Top Ten: Aber während sich bei den Mädchen fast jede Zweite – 49 Prozent – auf die Top Ten fokussiert, sind es bei den Jungen 36 Prozent.
Wie kann man da gegensteuern?
Wir werben unter anderem bei Unternehmen und Schulen dafür, dass sie sich am jährlichen Zukunftstag beteiligen – dieses Jahr am 28. April. An diesem Tag sollen Mädchen in die für sie eher untypischen technischen Berufe und Jungen in soziale Berufe schnuppern. Wir geben Lehrkräften auch Anregungen für die Unterrichtsgestaltung: Da geht es zum Beispiel darum, dass die Jugendlichen reflektieren, wie die Hausarbeit bei ihnen Zuhause verteilt ist – und wie sie sich das selbst für ihre Zukunft vorstellen. Wir unterstützen auch Projekte von Netzwerkpartnern, zum Beispiel der Uni Potsdam, die mit „tasteMINT“ Mädchen die Möglichkeit gibt, sich in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik auszuprobieren. Relativ neu ist noch das Technische Jahr für junge Frauen – analog zum Freiwilligen Sozialen Jahr.
Wie sieht der Zuspruch für solche Angebote aus?
Der Rücklauf ist von Jahr zu Jahr steigend. Die Unternehmen merken, dass sie neue Wege gehen müssen, um Fachkräfte zu finden. Aber Raum nach oben ist natürlich immer.
Wo sehen Sie Lücken bei der Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt?
Große Ungleichheiten gibt es zum Beispiel bei den sogenannten Berufsrückkehrenden, also Menschen, die nach mindestens einem Jahr in Eltern- oder Pflegezeit zurück in die Arbeit wollen und sich bei uns melden. Das sind zu 97 Prozent Frauen. Auch bei uns registrierte Alleinerziehende sind zu 92 Prozent weiblich. Das zeigt: Familienarbeit ist immer noch sehr ungleich verteilt.
Wie können diese Frauen unterstützt werden?
Aus meiner Erfahrung von Gesprächen bei Infoveranstaltungen sind oft die fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten das Problem. In den klassischen Frauenberufen im Dienstleistungsgewerbe – zum Beispiel Hotelfachfrau oder Verkäuferin – hilft ein regulärer Kitaplatz nur begrenzt weiter. Denn die Frauen haben dann trotzdem Probleme mit den sogenannten „Randzeiten“ am Abend oder an den Wochenenden.
Bis auf wenige Ausnahmen haben die Kitas dann geschlossen.
Was viele nicht wissen: Es gibt auch in Potsdam Möglichkeiten, eine Betreuung außerhalb der üblichen Kita-Zeiten finanziell über das Jugendamt unterstützen zu lassen, zum Beispiel wenn die ältere Nachbarin das Kind betreuen kann. Das geht immer dann, wenn es auch nach Gesprächen mit der Kita, der Familie und dem Arbeitgeber keine andere Lösung gibt.
Sie beraten auch Arbeitgeber in Sachen Gleichstellung. Was raten Sie denen?
Ich werbe immer für eine familienorientierte Personalpolitik. Das ist ein wirksames Instrument, um gute Fachkräfte zu finden und zu behalten. Das können Kleinigkeiten sein, die nicht viel Geld kosten, die die Beschäftigten aber sehr schätzen: zum Beispiel die Möglichkeit, dass das Kind nach der Schule ins Büro kommen darf und dort ein Schreibtisch zum Hausaufgaben machen steht. Viele Unternehmen wissen auch nicht, dass sie ihren Angestellten einen steuerfreien Kinderbetreuungskostenzuschuss zahlen können. Damit fahren beide Seiten gut – und der Betrieb hat motivierte Mitarbeiter, die ihm lange erhalten bleiben.
Das Gespräch führte Jana Haase
Ilka Schadow ist seit 2008 die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt bei der Potsdamer Arbeitsagentur. Die Diplomverwaltungswirtin berät Arbeitnehmer, Firmen und Verbände.
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