Landeshauptstadt: Powers junior auf der Spur seines Vaters
1962 wurde U 2-Pilot Powers auf der Glienicker Brücke gegen den sowjetischen Spion Abel ausgetauscht
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1962 wurde U 2-Pilot Powers auf der Glienicker Brücke gegen den sowjetischen Spion Abel ausgetauscht Zum ersten Mal lief Francis Gary Powers gestern den Weg, den sein Vater vor 43 Jahren gegangen war: von der Potsdamer Seite der Glienicker Brücke bis zur Brückenmitte. Dort war Gary Powers senior am 11. Februar 1962 gegen den sowjetischen Topagenten Rudolf Abel ausgetauscht worden. Mit seinem in großen Höhen dahingleitenden Aufklärungsflugzeug U 2 hatte der Pilot Weltgeschichte geschrieben. Am 1. Mai 1960 fiel der Flieger über Russland vom Himmel, ob nun durch Abschuss oder einen technischen Defekt. Der sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow nutzte diesen Spionagefall, um den Pariser Gipfel zur Deutschlandfrage platzen zu lassen und eine neue Runde des Kalten Krieges einzuläuten. Genau da setzt Francis Gary Powers junior an. Nicht als Privattourist, sondern als Gründer eines Cold War Museums in Fairfax (US-Staat Virginia) ist er in Deutschand unterwegs. Er möchte einen Verbund aller Museen zustande bringen, die sich mit der Geschichte des Kalten Krieges zwischen 1945 und 1991 beschäftigen. „Mein Ziel ist, durch die Information über diese Zeit zur Völkerverständigung beizutragen“, erklärte er gestern gegenüber den PNN. Dazu hat er ein „Education“-Programm für die junge Generation aufgelegt. Außerdem bietet er eine mobile Ausstellung über die Vorgänge um den U2-Absturz an. Beim Aufbau des Museums unterstützen ihn zahlreiche Kriegsveteranen und Prominente aus Ost und West, darunter sogar der Sohn Nikita Chruschtschows, Sergej. Mit Bärbel Elisabeth Simon hat Gary Powers junior eine Deutschland-Beauftragte für sein Museum eingesetzt. Auf der Glienicker Brücke wurde der amerikanische Gast von einem Insider begleitet. Hans-Dieter Behrendt leitete in der „Mauerzeit“ als Oberstleutnant der Staatssicherheit die Passkontrolle an den Grenzübergängen von und nach Westberlin. Der Agentenaustausch fand allerdings ohne DDR-Beteiligung statt: Er war eine amerikanisch-sowjetische Angelegenheit. Von der damals als Kinderheim genutzten Villa Schöningen aus beobachtete die Stasi aber die Vorgänge. Zweite Station seines Potsdam-Besuchs war für Powers junior, der Mitglied der Handelskammer von Virginia ist, die Gedenkstätte Ehemaliges KGB-Gefängnis in der Leistikowstraße. Die Historikerin Gisela Kurtze, Vorstandsmitglied des Fördervereins, führte ihn durch das Haus, in dem ab 1945 Hunderte angebliche deutsche Spione und „Sowjetfeinde“, aber auch russische Deserteure unter menschenunwürdigen Bedingungen gefangen gehalten, zum Tode oder zu langjähriger Deportation in sibirische Straflager verurteilt worden waren. Francis Gary Powers zeigte sich tief beeindruckt. Auch sein Vater hatte die Nacht vor dem Austausch auf der Glienicker Brücke hier verbracht – allerdings nicht in einer der Todeszellen, sondern wahrscheinlich in einem für die sowjetischen Offiziere ausgebauten Raum im Obergeschoss. Danach fragen konnte Powers seinen Vater nicht mehr. Der war, nach seiner Demobilisierung als Stau- und Verkehrsbeobachter für eine Fernsehgesellschaft tätig, 1977 mit dem Hubschrauber abgestürzt und tödlich verunglückt. Damals war sein Sohn erst zwölf Jahre alt. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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