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Gigantische Wärmemengen. Ein Messfahrzeug des GFZ in Berlin-Tempelhof.

© GFZ

Homepage: Praktisch unerschöpflich

Berlin-Brandenburg hat ein großes Geothermiepotenzial. In Berlin könnte es zu einer alternativen Energie werden. Von Ernst Huenges

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Das Jahr 2012 ist vom Bundesforschungsministerium zum Themenjahr „Zukunftsprojekt Erde“ benannt worden. Nachhaltige Entwicklung steht im Fokus. In den PNN stellen Wissenschaftler verschiedener Potsdamer Institute ihre Arbeit dazu vor.

Erdwärme zählt zu den weltweit am meisten genutzten regenerativen Energien. Sie steht unabhängig von Jahreszeit und Klima jederzeit an jedem Ort zur Verfügung und ist praktisch unerschöpflich. Auch für den Großraum Berlin-Brandenburg gilt, dass flächendeckend gigantische Wärmemengen im Untergrund zu finden sind. Ein Stadtmodell von Berlin zeigt, dass für die Metropole auch geothermische Versorgungsszenarien für ganze Stadtquartiere entwickelt werden können. Anders als mit herkömmlichen Wärmepumpen zielt man dabei auf die Nutzung der tiefen Geothermie. Die Berliner Wärmeversorgung wird derzeit zu fast 100 Prozent mit fossilen Brennstoffen sichergestellt – mit entsprechendem Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid.

Untersuchungen des Deutschen GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ) und die Zahlenwerte des Berliner Energieatlas zeigen, dass Wärme im tiefen Untergrund genügend vorhanden ist. Aber die Technologie, diesen energetischen Schatz nahe beim Verbraucher zu heben, muss noch weiterentwickelt werden. So kann man nicht ohne besondere Vorbereitung in einer Großstadt in die Tiefe bohren. Geowissenschaftliche Forschung zur Erkundung des Untergrundes ist die Grundvoraussetzung, um zum Beispiel Fehlbohrungen zu vermeiden. Zunächst benötigt man scharfe physikalische Abbildungen des Untergrundes, die mit geophysikalischen Verfahren erzeugt werden. Die Störeinflüsse einer Großstadt auf solche Messungen sind dabei nicht zu unterschätzen. Am GFZ sind deshalb adäquate Messmethoden entwickelt worden, die bei einer Untersuchung auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof auch eingesetzt wurden.

Auch das Bohren selber muss sich den Randbedingungen einer Großstadt anpassen. Die dafür eigens entwickelte Bohranlage „InnovaRig“ des GFZ arbeitet besonders geräuscharm und umweltfreundlich. Und selbstverständlich muss sichergestellt sein, dass Grundwasser, Umwelt und Bauten nicht beeinträchtigt oder gar gefährdet werden. Auch mögliche Einschränkungen und Beeinträchtigungen für die Bevölkerung müssen offen benannt werden. Daher werden solche Arbeiten vom GFZ ausschließlich nur nach einer qualifizierten Risikoeinschätzung gemacht, die auch dazu führen kann, dass ein Projekt abgebrochen wird.

Für eine effiziente Nutzung von Erdwärme in Berlin ist ein nachhaltiger Thermalwasserkreislauf mit bedarfsgerechter Temperatur erforderlich. Dabei wird Wasser genutzt, das im Untergrund bereits vorhanden ist. Das Wasser durchströmt das heiße Gestein und nimmt dessen Wärme mit. Wenn nicht genügend Heißwasser aus dem umgebenden Gestein in die Bohrung hineinfließt, muss man durch sogenannte hydraulische Stimulation diesen Zufluss erhöhen. Große Mengen Wasser werden dabei unter hohem Druck über eine Bohrung in den Untergrund verpresst, um ein weit verzweigtes Risssystem im Gestein zu erzeugen. Dieses Stimulationsverfahren ist Teil des Konzeptes der Enhanced Geothermal Systems (EGS), das dazu dient, Lagerstätten zu einer wirtschaftlichen Nutzbarkeit zu führen. Mit dieser Technologie können auch gering durchlässige Gesteine, wie wir sie in Berlin und Brandenburg antreffen, genutzt werden. Etwa 95 Prozent des geothermischen Potenzials in Deutschland sind mit dieser Technologie erschließbar. Das GFZ hat die Entwicklung von EGS-Systemen in den Mittelpunkt seines Geothermieforschungsprogrammes gestellt.

Sachgerechtes Bohren und Stimulieren ist zur Verhinderung von Undichtigkeiten in der Bohrung unabdingbar, ein seismisches Risiko ist in der Geologie des Berliner Untergrundes nahezu ausgeschlossen. Das haben GFZ-Experimente am Referenzstandort, der Forschungs-Großanlage „Geothermielabor Groß Schönebeck“ nördlich von Berlin, ergeben, wo sich die erzeugten Risse im tiefen Gestein auf die Lagerstätte in über vier Kilometern Tiefe beschränken, ohne spürbare oder gar gefährdende Seismizität. Umfassende Gefährdungsanalysen im Vorfeld und eine Bohrung selbst mit einem verlässlichen Frühwarnsystem mit automatischer Beendigung der gefährdenden Arbeiten machen die Nutzung und Behandlung des Untergrundes aus Sicht der Forschung verantwortbar.

Das GFZ Potsdam hat durch seine Vorarbeiten in Groß Schönebeck gezeigt, dass die Energiebereitstellung aus Erdwärme auch in unseren Breiten möglich ist. Die Entwicklung eines wissenschaftlichen Erkundungs- und Erschließungskonzeptes für die sichere Wärmenutzung tiefer Geothermie in der deutschen Hauptstadt ist ein nächster Schritt, um Geothermie verstärkt nutzen zu können und sich damit langfristig von fossilen Energieträgern und der Emission von Treibhausgasen zu lösen.

Ernst Huenges leitet das Internationale GeothermieZentrum am Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ). In diesem Jahr erhielt er die Patricius-Plakette des Bundesverbandes Geothermie.

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