Landeshauptstadt: Praxisgebühr und weniger Leistungen
Dr. Gerhard Bundschuh, Vorsitzender der KZV: „Patient wird nicht im Regen stehen gelassen“
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Dr. Gerhard Bundschuh, Vorsitzender der KZV: „Patient wird nicht im Regen stehen gelassen“ Gesundheitsreform: Ab dem kommenden Jahr müssen sich Patienten finanziell stärker an den entstehenden Behandlungskosten beteiligen. Was sich ab dem 1. Januar 2004 im Bereich der Zahngesundheit verändert, darüber sprachen die PNN mit Dr. Gerhard Bundschuh, Zahnarzt und Vorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Land Brandenburg. Ab dem 1. Januar 2004 hat jeder Patient eine so genannte Praxisgebühr in Höhe von zehn Euro bei seinem ersten Arztbesuch im Quartal zu entrichten. Dies jeweils an Hausarzt, Zahnarzt und möglicherweise auch an Psychotherapeuten. Die Gebühr wird so manchen vom regelmäßigen Zahnarztbesuch abschrecken. Fällt der Gesetzgeber mit dieser Maßnahme den Bemühungen der vergangenen Jahre in den Rücken? Wir haben viel erreicht, Karies und Paradentose sind stark zurückgegangen. Die ganze Prävention wird nun zurückgedrängt, weil die Masse der Patienten versucht wird zu sparen. Das widerspricht dem Prophylaxegedanken. Aber wer über ein Bonusheft verfügt, kann sich zumindest einmal im Jahr die zehn Euro sparen. Wem nutzt die Gebühr? Der Begriff „Praxisgebühr“ ist falsch. Er impliziert eine Gebühr an den behandelnden Arzt. Dabei geht es um die Entlastung der Krankenkassen durch die Eigenbeteiligung des Patienten. Das bedeutet einen höheren Arbeitsaufwand für die Praxen? Natürlich. Die Kassen ziehen für jede eingelesene Chipkarte vom behandelnden Arzt zehn Euro am Quartalsende ein. Das Praxispersonal muss Quittungen ausstellen und das Geld ordnungsgemäß verbuchen. Wie hoch wird die Ersparnis für die Krankenkassen sein? Zirka vier Milliarden Euro pro Jahr. Wenn sich eine Behandlung beispielsweise über sechs Monate erstreckt, zahlt der Patient für jedes einzelne Quartal? Ja. Für jedes einzelne. Das Geld das die Krankenkassen sparen, ist eine Ungerechtigkeit gegenüber dem Patienten. Es gibt Behandlungen, die nicht in einem Quartal beendet werden können. Ab 1. Januar 2004 zahlen die gesetzlichen Krankenkassen nur noch eine Zahnsteinentfernung im Jahr. Mit der Veränderung des Vergütungsregulatives für Zahnärzte kann nur noch eine Zahnsteinentfernung im Jahr abgerechnet werden. Das hat nichts mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz zu tun. Bis zum 31. Dezember 2003 sind so viel Zahnsteinentfernungen bei den Krankenkassen abrechenbar wie erforderlich, beispielsweise vier mal im Jahr bei jemandem, der eine starke Zahnsteinbildung hat. und eine weitere Zahnsteinentfernung? Um die 20 Euro. Ihre vorsichtige Formulierung impliziert, dass der Patient mit seinem Arzt den Preis der Behandlung verhandelt. Ja. Das ist eine Wunschleistung. Je nach Umfang des zu entfernenden Zahnsteines werden Leistung und Preis individuell verhandelt. Gibt es außer dem regelmäßigen Putzen Möglichkeiten Zahnstein zu vermeiden? Nein. Damit kann die Zahnsteinbildung lediglich verringert werden, aber nicht verhindert. Es bildet sich einfach Zahnstein. Seine Entfernung ist immens wichtig. Und wie ist es mit dem Zahnersatz? Derzeit ist die Gesetzeslage so, dass das Gesundheitsmodernisierungsgesetz beim Zahnersatz im Jahre 2004 keine Veränderungen in der Bezuschussung vorsieht. Im Gegenteil, es wird für den Patienten etwas kostengünstiger. Wodurch? Der Zahnersatz ist im zahnärztlichen Honorar abgesenkt worden zu Gunsten der Zahnerhaltung. Alles was mit Bohren und Füllungen zu tun hat, wird in der Vergütung aufgewertet, Zahnersatz und kieferorthopädische Leistungen werden dagegen vom zahnärztlichen Honorar abgewertet. Für den Patienten wird der Zahnersatz dadurch preiswerter. Das ist für das Jahr 2004 und wie sieht es ab 1. Januar 2005 aus? Der Zahnersatz wird aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausgegliedert. Doch wird der Patient nicht im Regen stehen gelassen. Der Gesetzgeber hat den Patienten verpflichtet seinen Zahnersatz zu versichern - privat oder bei einer gesetzlichen Krankenkasse. Das ist der Wahlfreiheit des Patienten überlassen und richtet sich nach dem jeweiligen Angebot der einzelnen Kasse. Die monatlichen Versicherungsbeiträge werden sich je nach Leistungsangebot unterscheiden? Als Richtschnur wurden 7,50 Euro im Monat angesetzt. Noch ist Zahnersatz paritätisch finanziert, sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer. Jeder gibt die Hälfte Ab 1. Januar 2005 muss sich jeder Arbeitnehmer allein für seinen Zahnersatz aufkommen. Die Mitfinanzierung des Arbeitgebers fällt raus. Damit sollen die Lohnnebenkosten entlastet werden. Was erhält der Patient im Gegensatz zur derzeit prozentualen Bezuschussung? Einen Festzuschuss, der sich am Befund orientiert. Ein Beispiel bitte. Dem Patient fehlt ein Frontzahn. Die Lücke kann durch eine Reihe von zahnärztlichen Maßnahmen geschlossen werden von der einfachsten herausnehmbaren Plastprothese bis zur Luxusversorgung eines Implantats. Dazwischen liegt eine Palette von Behandlungsmöglichkeiten. Ab 2005 erhält der Patient für die Versorgung der Lücke von der Krankenkasse einen festen Betrag, der noch nicht definiert ist. Nun ist es wieder Verhandlungssache mit seinem Zahnarzt, was er mit dem Zuschuss macht, ob er ihn beispielsweise für die Luxusversorgung einsetzt. Wobei der Zuschuss dann nur einen geringen Teil der Behandlung abdecken wird. Bei der Wahl der preiswerten Variante könnte der Zahnersatz also abgedeckt werden. Ja, ihm wird ein Zuschuss gewährt, der unter Umständen für die Deckung der Kosten ausreicht. Das heißt, niemand muss zahnlos sein? Sicher. Der Gesetzgeber hat mit der Pflicht zur Versicherung vermeiden wollen, dass man den sozialen Status des Patienten am Gebiss erkennt. Selbst eine Grundabsicherung erkennt man nicht so einfach. Keiner muss zahnlos rumlaufen. Das Gespräch führte Ulrike Strube
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