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Landeshauptstadt: Premiere auf der Kanzel
Babelsberg - Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat eine Predigt gehalten. Die erste überhaupt, wie die Evangelische Kirche vorab warb.
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Babelsberg - Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat eine Predigt gehalten. Die erste überhaupt, wie die Evangelische Kirche vorab warb. Mit Spannung wurde am Montag in der vollbesetzten Oberlinkirche in Babelsberg erwartet, wie sich der Diplomingenieur für biomedizinische Kybernetik in der Predigerrolle schlagen würde. Anlass war ein Festgottesdienst für 125 Jahre Taubblindenarbeit im Oberlinhaus. Als 1887 das Mädchen Hertha Schulz ins Oberlinhaus kam, begann nicht nur die Arbeit mit Taubblinden im Oberlinhaus, sondern in Deutschland. Hertha Schulz hatte ihr Gehör und ihre Sehkraft verloren. Sie selbst dachte, dass die anderen die Sprache verlernt hatten. Sie erinnerte sich an „damals, als ihr noch sprechen konntet“.
Heute ist das Kompetenzzentrum für Taubblinde im Oberlinhaus „führend in Europa in dieser Arbeit“, erklärte Platzeck. Mit Hertha Schulz habe sich „die Welt der Taubblinden verändert“. Platzeck bezog sich auf den Propheten Jesaja, wonach eines Tages „die Ohren der Tauben geöffnet sein“ würden und „die Zunge der Stummen wird frohlocken“. Jesaja habe die Vision, eines Tages werde „alles in Ordnung sein“, einen „schönen Traum vom geheilten Menschen“. Diese Vision werde „nie abgegolten sein“, so Platzeck. Doch die Mitarbeiter des Oberlinhauses arbeiteten daran. Dies sei „eine hohe Kunst“ und „ein demütiger Dienst“. Platzeck: „Wer hier arbeitet, macht es sich nicht leicht.“ Der Schwung könne aber auch einmal auf der Strecke bleiben. Für diesen Moment, so predigte Platzeck, „legt uns der Prophet liebevoll die Arme über die Schulter: Sehet, da ist Euer Gott, er wird Euch helfen“. Fehlende Sinne machten ein Leben nicht sinnlos, so Platzeck weiter. In Babelsberg gehörten Menschen mit Behinderungen „zum Stadtbild“. Das Oberlinhaus werde so „zur Schule des Lebens“. Das sei eine anschauliche Bestätigung für die Vision Jesajas. „Wir werden innerlich barrierefrei“, sagte Platzeck. Wenn auch Ohren und Augen oft nicht geheilt werden könnten, „kann doch das Dunkel erhellt werden“. Der Traum des Propheten Jesaja sei „nie ausgeträumt“. Ein weltliches Versprechen gab Platzeck ab, als er ankündigte, Brandenburg werde für die Inklusion in der Schule – das Nebeneinander von Behinderten und Nichtbehinderten – „eine große Zahl von kompetenten Lehrern ausbilden“. Platzeck am Ende: „Amen.“
Matthias Fichtmüller erklärte auf PNN-Anfrage, er habe als Pfarrer der Oberlinkirche das Recht, auch Nichttheologen auf die Kanzel zu lassen, zumal Platzeck Mitglied des Oberlin-Vereins sei. Es habe sich nicht um „eine Regierungserklärung“ gehandelt. Platzeck habe gut herausgearbeitet, dass „die Vision Jesajas noch nicht erfüllt, jedoch Hilfe auf dem Weg ist“, etwa durch das Oberlinhaus. gb
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