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Landeshauptstadt: „Preußisch Blau“ kehrt wieder

Erste nach der Wiedervereinigung in der ehemaligen DDR gegründete Burschenschaft wird reaktiviert

Stand:

„Preußisch Blau“ – die erste nach der Wiedervereinigung im Osten Deutschlands ins Leben gerufene studentische Burschenschaft wird reaktiviert. Dazu lädt das Gründungskomitee mit der Seniora (der Vorsitzenden) Gunhild Pohl am Samstagabend in hochnoble Umgebung ein, den Marschallsaal im Schloss Cecilienhof. Die Einführungsrede wird Landtagspräsident Gunter Fritsch halten. „Preußisch Blau“ war 1992 an der Verwaltungsfachschule Bernau entstanden, die aber zehn Jahre später aufgelöst wurde.

Schon dass mit der 25-Jährigen eine Studentin an der Spitze der Vereinigung steht, kennzeichnet deren ungewöhnlichen Charakter. In konservativen Burschenschaften können Frauen nicht einmal Mitglied werden. In ihren uniformähnlichen Jacken, den blau-weiß-roten Schärpen, den mit Federpüscheln geschmückten Mützen und den Ständern (Floretts) machen die „Preußisch Blauen“ schon was her. Die Waffen dienen in der nach Geschlechtern „gemischten“ und „nichtschlagenden“ Vereinigung des christlich orientierten Schwarzburgbundes der Präsentation, „Schmisse“ wie bei den konservativen Männerburschenschaften werden den Gesichtern der Kommilitonen nicht zugefügt. Und die „Wechselpauke“ ist kein Duell, sondern ein Schlagfertigkeit erforderndes Blödelgespräch. Weniger üppig sind auch die finanziellen Grundlagen im Gegensatz zu den konservativen „schlagenden“ Vereinigungen. In Potsdam ist dies das Corps Masovia, dem die vermögenden „Alten Herren“ (Väter) in Holländerviertel ein Haus mit Fechtboden zur Verfügung gestellt haben. Aber dennoch, sagt Gunhild Pohl, reichen die Mittel aus, um monatlich in der Babelsberger „Plantagenklause“ eine Veranstaltung anzubieten. Darin können dann auch Vorbehalte über die Burschenschaften ausgeräumt werden, die oft wegen konventionellen Denkens, Mensur und Duell und angesichts ihrer Trinksitten in der Kritik stehen. Doch sie sind aus den Befreiungskriegen 1813/14 hervorgegangen und setzten sich für die staatliche Einigung Deutschlands auf demokratischer Grundlage ein. Viele Mitglieder wurden verfolgt und zu Festungshaft verurteilt, so der Dichter Fritz Reuter.

„Seniora“ Pohl unterstreicht, dass die Studenten in der Burschenschaft im Kreis Gleichgesinnter „eine Heimat finden“. Außerdem sei sie als Netzwerk für die berufliche Entwicklung von Wert. Bis zur Anerkennung an der Potsdamer Universität steht „Preußisch Blau“ noch ein schwieriger Weg bevor. Dafür sind mindestens sieben Mitglieder erforderlich, die dort studieren. Gunhild Pohl tut dies nicht, sie ist Studentin der TU Clausthal- Zellerfeld im Harz. Als Mitglied des Schwarzburgbundes hat sie die Initiative zur Wiederbelebung der Burschenschaft ergriffen. Dass dies in Potsdam geschieht, freut besonders den prominentesten „Alten Herren“ von Preußisch Blau. Der eng mit Potsdam verbundene Jurist und frühere Weißenbacher Oberbürgermeister Günter W. Zwanzig hatte bereits bei der Erstgründung der Burschenschaft Pate gestanden. Wie Gunhild Pohl ist er zuversichtlich, dass „Preußisch Blau“ unter den bis zu 20 000 Studenten des Universitätsstandortes Potsdam ausreichend Mitglieder gewinnt. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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