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Zäune und Mauern aus Holzstämmen. Die Blockade unterhalb der Stubenrauchstraße 4 am Samstagvormittag.

© Manfred Thomas

Von Sabine Schicketanz: Privateigentümer sperren letztes Stück Uferweg

Neue Barrikaden am Griebnitzsee: Weg vom Bahnhof bis Stadtgrenze blockiert / Stadt: Bund soll schnell über Verkauf entscheiden

Stand:

Babelsberg - Der Motorenlärm von Kettensägen dröhnte am Samstagmorgen über den Griebnitzsee: In aller Frühe hatten Arbeiter begonnen, zwei neue Sperren auf dem Uferweg zu errichten. Im Auftrag zweier Privateigentümer wurden unterhalb der Rudolf-Breitscheid-Straße 204 und der Stubenrauchstraße 4 Bauzäune aus Metall aufgestellt, dahinter türmten die Arbeiter Holzstämme zu meterhohen Mauern auf. Rund 150 Meter lang ist der neue gesperrte Abschnitt – er blockiert das letzte bisher freie Stück des Uferwegs vom Bahnhof Griebnitzsee bis zur Berliner Stadtgrenze.

Noch am Samstagmorgen eilten Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) und Baudezernent Matthias Klipp (Bündnisgrüne) zum Ufer – und standen machtlos vor den Barrikaden. „Wir können nichts tun“, sagte Jakobs. Die beiden gesperrten Uferstreifen befinden sich in Privatbesitz. Einen gültigen Bebauungsplan, der den öffentlichen Uferweg festschreibt, gibt es nicht, seit das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) den ersten Ufer-Plan der Stadt im Mai 2009 für unwirksam erklärt hat. Erst im Herbst will das Stadtparlament den neuen Plan beschließen, wonach der Uferweg samt Entschädigung für die Privatanrainer 13 Millionen Euro kosten würde. Damit sind die Absperrungen juristisch für die Stadt Potsdam nicht anfechtbar.

Für die neue Eskalation am Griebnitzsee macht Jakobs auch den Bund verantwortlich: Seit vergangenen Herbst wartet die Stadt auf eine Entscheidung über den Verkauf der 51 Mauergrundstücke des Bundes am Seeufer, die als Schlüssel für den freien Uferweg gelten. Potsdam will sie für drei Millionen Euro erwerben; ursprünglich wollte die Stadt für 2,6 Millionen Euro direkt von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) kaufen, doch in letzter Minute legten Privatanrainer ein höheres Gebot für die 3,5 Hektar umfassenden Flächen vor – offensichtlich, um einen Uferweg zu verhindern. Seit Monaten läuft ein politisches Tauziehen um den Verkauf: Der Bund entschied, ein Bieterverfahren zu starten. Dies ging im Spätsommer zu Ende. Über den Zuschlag soll der Haushaltsausschuss des Bundestags entscheiden – ein Termin steht immer noch nicht fest. Potsdam hält das Bieterverfahren für rechtswidrig und hat eine Klage gegen den Bund angekündigt. Um keine Chance auszulassen, hat die Stadt dennoch ein Gebot über drei Millionen Euro abgegeben. Private Seeanrainer sollen 3,6 Millionen Euro geboten haben. Der Verkaufserlös fließt in den Mauerfond für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zwecke in den neuen Bundesländern. Mit diesem Nutzen für die Allgemeinheit hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) seine Position, wonach der Bund zum Höchstpreis verkaufen müsse, begründet. Oberbürgermeister Jakobs appellierte am Samstag an den Bund, endlich für Klarheit zu sorgen. „Sonst schaffen Eigentümer weiter Fakten.“ Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, ebenfalls vor Ort, forderte den Bund auf, „schnell im öffentlichen Interesse zu handeln“.

Entsetzt und wütend reagierten Spaziergänger und Jogger am Griebnitzsee auf die neuen Sperren. „Das war das einzige Stück, wo es sich noch gelohnt hat, spazieren zu gehen“, sagte ein Familienvater. „Die Mauern kehren zurück – eine Unverschämtheit“, so Anwohnerin Andrea Stein. Potsdam müsse jetzt Stege bauen, forderte sie. Ein Radfahrer schimpfte auf die Stadtpolitik: „Das habt ihr ja fein hingekriegt, Herr Jakobs!“

Jahrelange Versäumnisse der Stadtspitze, die sich vor allem in den 1990er Jahren nicht um eine rechtlich korrekte Lösung für den Uferweg gekümmert habe, führen auch die Seeanrainer an, die den Weg blockieren. Viele von ihnen lassen sich von dem Berliner Rechtsanwalt Christoph Partsch vertreten. Nach seinen Angaben sind auch die zwei neuen Sperrer seine Mandanten. Das Grundstück unterhalb der Rudolf-Breitscheid-Straße 204 – die Villa oberhalb gehört dem ehemaligen Generalsekretär der brandenburgischen CDU, Thomas Klein, – hatte Partsch vor einigen Jahren sogar selbst gekauft. Die Stadt hatte damals vermutet, Partsch habe „die Grünfläche“ als „Sperrgrundstück“ erworben. Der Rechtsanwalt sagte am Samstag, er habe den Uferstreifen inzwischen weiterveräußert. Wem er nun gehört, wollte Partsch nicht sagen. Die Villa auf dem zweiten Sperrgrundstück, der Stubenrauchstraße 4, hatte nach Aussagen von Anwohnern lange leer gestanden. Offenbar fand sich nun ein neuer Eigentümer, der sofort aktiv wurde. Seine Mandanten sperrten den Uferweg, weil sie „ihre Grundstücke genießen möchten“, erklärte Rechtsanwalt Partsch. Er betonte, selbst mit einem Verkauf der Bundesgrundstücke an die Stadt werde der Weg nicht öffentlich. Das zeige die aktuelle Sperre, denn der Uferstreifen zwischen den beiden gesperrten Privatgrundstücken gehöre dem Bund. Verkaufe der Bund an die Stadt, würden Potsdam zwar Uferflächen gehören, aber sie wären nicht zugänglich – zumindest nicht ohne Enteignung der Eigentümer. Potsdam werde vor dieser „ultima Ratio“ aber nicht Halt machen, hatte Oberbürgermeister Jakobs immer wieder betont.

Für Empörung sorgte am Samstag auch die Art und Weise der Sperren: Hinter Zaun und Holzwall standen Wachschützer mit Schäferhund. Außerdem sollen Bagger und Tieflader nach Augenzeugenberichten am frühen Morgen unbeleuchtet über den Uferweg zu den Grundstücken gerollt sein – ohne Erlaubnis der jeweiligen Eigentümer und über einen städtischen Wegabschnitt direkt am Mauerdenkmal vorbei. Die vier dort aufgestellten Metall-Barrieren, die Autos und eilige Radfahrer aufhalten sollten, waren herausgerissen und ins Gebüsch geworfen worden. Die Stadt stellte Anzeige wegen Sachbeschädigung.

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