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Landeshauptstadt: Produziert wie Autos

Lobhudelei und fade Antworten: Diskussion zur Ausstellung über die Potsdamer Platte

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Innenstadt - „Serienprodukt Wohnung“ nennt Dietrich Schreiber das Ergebnis des industriellen Wohnungsbaus der DDR. Schreiber war von 1972 bis 1982 verantwortlich im Wohnungsbaukombinat Potsdam und muss es wissen. In einem Film von Ute Parthum über die „Potsdamer Platte“ kommt er zu Wort und spricht von „Verladeplänen“ für die Betonteile, von Sanitärzellen und von „Montagetaktstraßen“. Und: „Wohnungen wurden produziert wie Autos.“

Fünfzig von der Stadtkontor GmbH eingeladene Gäste sahen sich Donnerstagabend in der Ausstellung im Fachhochschul-Fenster in der Friedrich-Ebert-Straße den Dokumentarfilm an und waren voll des Lobes. Nicht nur über den Film, sondern auch über das Ergebnis des industriellen Wohnungsbaus. Pathetisch war von „Ehrfurcht“ und von „Akzeptanz für die Leistung“ die Rede. Klage über die Aufgabe des Namens Pablo Neruda für die Waldstadt-Bibliothek war zu hören und über die Demontage der Plastik, die den Sänger Victor Jara darstellt. Es ging um die Farbgestaltung im Wohngebiet Schlaatz und darum, dass sich die Modernisierer leider nicht an die ursprünglichen Farben halten. Das Wort „Denkmalschutz“ fiel sogar.

Und eben jener Architekt Schreiber, der nach der Wende beim Land beschäftigt war, warf einen Stein in den Weiher der Potsdamer Platten-Idylle, indem er die Verhältnisse in Wittstock, Cottbus, Schwedt und Frankfurt an der Oder benannte und dass der „Stadtumbau Ost“ dort Abriss heißt.

Die Platte lässt sich offenbar leicht loben, wenn Mangel herrscht. Das war schon in der DDR so. Und in Potsdam sind die Plattenbauwohnungen immer noch hinlänglich vermietet, sogar zu recht stolzem Mietzins. Das Motto der Ausstellung im Fachhochschul-Schaufenster heißt passend zur Idylle „Im grünen Bereich - Potsdamer Platte“. Auf grünen Stoffbahnen ist die Plattenherrlichkeit in Wort und Bild dargestellt, überspannt von ebenfalls grünen Spruchbändern, auf denen vom ehemaligen Baustadtrat Detlef Kaminski über Karin Juhasz aus der Bauverwaltung bis zu Ulf Hahn von der Genossenschaft „Karl Marx“ fast alle lobhudelnd zu Worte kommen, die über die Potsdamer Plattenbaugebiete Bescheid wissen.

Rainer Baatz, Geschäftsführer von Stadtkontor GmbH und Entwicklungsbeauftragter für die Potsdamer Neubaugebiete, der neben der Baubeigeordneten Elke von Kuick-Frenz die Diskussion moderierte, wollte wissen, welchen Gestaltungsspielraum die Architekten in der Plattenzeit überhaupt hatten. Die Antworten fielen fade aus. Kaum ein Wort darüber, dass das industrielle Bauen die Kreativität praktisch erstickte und zur Eintönigkeit führte. Das war der Preis für die Linderung der Not: nur irgendwie von der Ofenheizung zur Fernwärme und vom Klo eine Treppe tiefer zur eigenen Badewanne mit warmem Wasser zu kommen. Plattenbewohner der ersten Stunde sagten das auch. Warum diese Diskussion und die Ausstellung derzeit stattfinden, bleibt unerfindlich. Falls es wegen des städtischen Themenjahres zur Architektur geschieht, bleibt es auf diesem Niveau unbefriedigend.

Noch bis zum 22. Juni ist die Ausstellung über die Entwicklung der Potsdamer Neubaugebiete täglich von 11 bis 19 Uhr bei freiem Eintritt im Schaufenster der Fachhochschule in der Friedrich-Ebert-Straße 6 zu sehen.

Günter Schenke

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