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Drei- und Viergeschosser für bis zu 302 Bewohner sind am Eichenweg geplant.

© Pro Potsdam

Protest gegen Wohnungspläne für Geflüchtete: Anwohner befürchten Getto in Golm

Das Sonderbauprogramm der Stadt Potsdam stößt auf breite Ablehnung in Golm. Doch noch bevor die Bürger informiert werden, will die Stadt Tatsachen schaffen.

Das Sonderbauprogramm mit insgesamt 151 Wohnungen in Golm stößt bei Bürgern und im Ortsbeirat auf Skepsis und zum Teil breite Ablehnung. Knapp 50 Anwesende übten am Donnerstagsabend während der Ortsbeiratssitzung massive Kritik an den Plänen der Stadtverwaltung und von Pro Potsdam sowie an der aus ihrer Sicht mangelhaften Information.

Abgelehnt wird insbesondere die als zu massiv beschriebene Bauweise, die nicht zu den Einfamilien- und Reihenhäusern der unmittelbaren Umgebung passe. Gregor Jekel, Fachbereichsleiter Wohnen, Arbeit und Integration, betonte die Dringlichkeit des Sonderbauprogramms, mit dem insgesamt 450 Wohnungen im Stadtgebiet in Modulbauweise errichtet werden sollen: für Menschen mit geringem Einkommen und für Geflüchtete, die noch in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind.

So sollen die von der Pro Potsdam in Modulbauweise errichteten Neubauten am Kossätenweg aussehen.
So sollen die von der Pro Potsdam in Modulbauweise errichteten Neubauten am Kossätenweg aussehen.

© Pro Potsdam

Die Stadt habe im vergangenen Jahr 2700 Geflüchtete aufnehmen müssen. In diesem Jahr werde mit weiteren 1470 Personen gerechnet. Für sie müsse Wohnraum geschaffen werden, so Jekel. Die Pro Potsdam soll die Häuser errichten, die Stadt mietet die Häuser an und vergibt sie. „Das sind keine Wohnungen, in denen man zur Miete wohnen kann“, sagte Jekel, der in Golm erneut die Pläne allein erklären und verteidigen musste.

217
Fragen aus Golm liegen der Stadt zu ihren Plänen vor

Saskia Ludwig (CDU), die sich wegen der Baupläne im Rechtsstreit mit der Stadt befindet, hatte mit einem Flyer zur Ortsbeiratssitzung und zu Fragen zu dem Programm aufgerufen. Mittlerweile liegen 217 Fragen aus Golm zu den Plänen vor. Allerdings wurden diese nicht im Ortsbeirat beantwortet. Weil im Raum für nur etwa die Hälfte der anwesenden Gäste Platz war und viele Golmer vor der Tür bleiben mussten, machte sich Unmut breit.

Immerhin hätten die vielen Fragen dazu geführt, dass die Stadt nun für den 18. April eine Bürgerversammlung einberufen habe, sagte Ludwig. Allerdings verschlechterte sich die Stimmung im Raum weiter, als Gregor Jekel erklärte, dass schon am Montag der Bauantrag für die Häuser am Eichenweg eingereicht werde. Eine Information vier Wochen später sei dann überflüssig, hieß es mehrfach.

Auf dieser Brache am Kossätenweg sind fünf Neubauten mit zusammen 72 Wohnungen geplant.
Auf dieser Brache am Kossätenweg sind fünf Neubauten mit zusammen 72 Wohnungen geplant.

© Andreas Klaer/PNN

Es fehlen jetzt schon Schul- und Kitaplätze

Ortsvorsteherin Kathleen Knier (parteilos) bat die Verwaltung am Freitag im Namen des Ortsbeirats, den Bauantrag bis zur Bürgerversammlung auszusetzen. Die CDU Potsdam West und ihr stellvertretender Vorsitzender Dominik Kurzynski schlossen sich dieser Forderung an. Kurzynski machte außerdem darauf aufmerksam, dass es schon jetzt zu wenig Kita- und Schulplätze in Golm gebe.

Hier müsse zunächst aufgestockt werden, notfalls mit Containern, bevor neue Bewohner nach Golm ziehen. Es bestehe die Gefahr, dass Bevölkerungsgruppen den Eindruck gewinnen könnten, gegeneinander ausgespielt zu werden, sagte Kurzynski. „Es ist daher unverständlich, dass Wohnraum in Sonderverfahren gebaut wird und die erforderliche Infrastruktur im normalen Schneckentempo.“ Beides müsse „Hand in Hand“ gehen.

Auf dem früheren Sportplatz am Eichenweg sollen sieben Neubauten mit drei bis vier Geschossen und insgesamt 79 Wohnungen entstehen.
Auf dem früheren Sportplatz am Eichenweg sollen sieben Neubauten mit drei bis vier Geschossen und insgesamt 79 Wohnungen entstehen.

© Andreas Klaer/PNN

In Golm sollen ausschließlich Wohnungen für geflüchtete Menschen nach dem Sonderbauparagrafen 246 (9) errichtet werden. Der macht befristet das Bauen ohne gütigen Bebauungsplan möglich. Denn am Eichenweg muss ein B-Plan erst aufgestellt werden. Für den Kossätenweg ist dieser noch in Arbeit.

Am Kossätenweg sind fünf Häuser zweier Gebäudetypen mit je drei Geschossen geplant. Dort soll es 42 Einraum-Wohnungen, 24 Zweiraum-Wohnungen und sechs Dreiraum-Wohnungen geben. Der Bauantrag solle im Juni gestellt werden, sagte Gregor Jekel. Anwohner erklärten, ihre Straße sei heute schon zu klein und überlastet, die geplante Neubebauung wie schon das benachbarte Studierendenwohnheim „Basecamp“ sei überdimensioniert.

Noch größer war die Ablehnung der geplanten sieben Neubauten am Eichenweg mit drei bis vier Geschossen und zusammen 79 Wohnungen auf der Fläche eines früheren Bolzplatzes. Mehrfach war von einem Getto die Rede. „Das ist Schlaatz und nicht Golm. Das bringt Frust“, sagte Saskia Ludwig. Das Sonderbauprogramm bringe bis zu 590 neue Bewohner. Das sei ein Einwohnerzuwachs von 14 Prozent, ohne dass neue Infrastruktur geplant werde. Die Bebauung passe nicht zum Ortsbild.

Ortsbeiratsmitglied Angela Böttge (parteilos) sprach von einer „städtebaulichen Katastrophe“, die zu einer weiteren Fragmentierung des Ortes beitrage. Eine Integration sei bei der geschlossenen Bebauung kaum möglich. Ein Anwohner befürchtet „sozialem Brennstoff“. Er verstehe nicht, „dass wir da sehenden Auges ‘reingehen“.

Schulen und Kitas sollen „kreativ“ sein

Ortsbeiratsmitglied Peer Wendt (SPD) sagte, er halte das Sonderbauprogramm für sinnvoll, die in Golm geplanten Häuser aber für zu groß. Stadtplanungsamtsleiter Erik Wolfram sprach von einer „Notmaßnahme“, die nicht lange vorbereitet wurde. Mit Blick auf fehlende Schulplätze erklärte er, „das erfordert Kreativität“. Eine neue Schule könne jedenfalls nicht innerhalb eines Jahres geplant werden.

Mehrfach wiederholt wurde der Vorwurf der schlechten Informationspolitik. Seit September habe die Stadt den Ortsbeirat nicht mehr auf dem Laufenden gehalten, dabei wurden die Pläne zwischenzeitlich verändert. Gregor Jekel hatte bereits im Februar allein im Ortsbeirat Rede und Antwort stehen müssen, konnten auch diesmal viele bau- und verkehrsfachliche Fragen nicht beantworten. Dass die Stadt und der Ortsbeirat im Dialog stünden, sie Jekel behauptete, sei falsch, so Kathleen Knier.

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