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Landeshauptstadt: Protest vor geschlossenen Fenstern

Das letzte Gefecht um den Bildungsetat: Knapp 3000 Schüler, Lehrer, Eltern und Studenten umzingelten am Mittwoch den Landtag

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Potsdam - Noa macht Lärm. „Eins, zwei, drei, vier – Geld wollen wir“, brüllt der 12-Jährige in sein Plastikmegafon. Dann fallen die Batterien aus. Fast drei Stunden steht der Sechstklässler der Envangelischen Grundschule Tröbitz (Elbe-Elster) nun am Potsdamer Brauhausberg in Sichtweite des Landtages. Bei Wind, Regen und Kälte schrie er unermüdlich gegen die von der Landesregierung geplanten Kürzungen im Bildungssystem an. Um ihn herum trillert und trommelt es, ruft es aus Hunderten Kehlen. „Wir wollen für unsere Schule kämpfen“, sagt Noa. Dann kramt der Schüler aus seinem viel zu großen Rucksack neue Batterien hervor.

Am Mittwochmorgen begann im Brandenburger Landtag die Debatte um den Landeshaushalt für das kommende Jahr. Der sieht Kürzungen im Bildungsbereich in Höhe von 13 Millionen Euro vor. Sie würden vor allem die Freien und die Hochschulen treffen. Am Freitag soll der Haushalt verabschiedet werden. Ein Aktionsbündnis Freier Schulen, der Bildungsgewerkschaft und Universitäten hatte deshalb zum Protesttag aufgerufen. Am Morgen empfingen hunderte Schüler Politiker mit Plakaten, Trillerpfeifen und Trommelmusik vor dem Landtag. Danach machten sich nach Veranstalterangaben knapp 3000 Demonstranten daran, den Landtag zu umzingeln. Bis in den Nachmittag hinein hielten die Proteste an.

Mit ganzer Kraft dreht Lehrerin Gesine Quaas eine Rassel. Mit ihren Schülern der Freien Schule Wittstock steht sie vor dem Landtag. „Wir protestieren, die machen die Rollos runter“, sagt Quaas und zeigt auf ein Fenster, das gerade geschlossen wird. „Es fühlt sich wie bei den Protesten vor der Wende an“, sagt Quaas. „Ministerpräsident Platzeck war damals doch dabei?“ Heute lasse er sich nicht blicken. „Das finde ich deprimierend.“ Während im Landtag Ministerpräsident Platzeck ein Weihnachtslied anstimmt und Bildungsministerin Martina Münch (SPD) versichert, dass Bildung im Land weiter Priorität habe, redet sich draußen Günther Fuchs in Rage. Von Priorität könne keine Rede sein, ruft der Chef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. „Das ist ein glatter Bruch der Wahlversprechen.“ Brandenburg liege im bundesweiten Vergleich bei der Finanzierung von Wissenschaft und Bildung an letzter Stelle, rechnet Fuchs vor.

Schwer getroffen würden auch die Hochschulen, sagt Steffen Brumme von der Uni Potsdam. Die Hörsäle seien übervoll, Lehrpersonal fehle an allen Ecken und Enden. Doch statt zu investieren, schwinge Rot-Rot den Rotstift. Das könne man sich nicht mehr gefallen lassen, sagt Brumme. Auch Christoph Schröder, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen, spart nicht mit Kritik. „Wer bei der Bildung kürzt, der kürzt bei der wichtigsten Ressource des Landes.“ Die geplanten Kürzungen seien ein „Angriff auf die Freien Schulen“, der vielen Schulträgern die Luft abschnüre. „Wir geben keine Ruhe“, ruft Schröder und die Demonstranten johlen.

Mit klammen Fingern hält auch Marit Jänchen bei Wind und Wetter ein Plakat in die Höhe. „Es ist nicht in Ordnung, was die Politiker machen“, sagt die Achtklässlerin des Hoffbauer-Gymnasiums Hermannswerder. Viele Eltern fürchteten, dass sie sich das Schulgeld nicht mehr leisten könnten. Es sei seltsam, sagt Marit. „Die Politiker wollen, dass wir eine Zukunft haben – und nun sparen sie daran?“

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