Landeshauptstadt: Psychiatrie: Sprechstunde für Obdachlose Auf Suchtkonferenz wird dichtes Hilfsnetz deutlich
Für Alkoholkranke ist die stationäre Aufenthaltsdauer von drei bis vier Wochen der optimale Zeitraum für ihre „wirksame Behandlung“, erklärt Detlef Kliem, Facharzt für Psychiatrie an der Klinik In der Aue. Im Schnitt zahlten die Krankenkassen aber drei Prozent der Aufenthaltstage nicht oder nur nach Beantragung.
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Für Alkoholkranke ist die stationäre Aufenthaltsdauer von drei bis vier Wochen der optimale Zeitraum für ihre „wirksame Behandlung“, erklärt Detlef Kliem, Facharzt für Psychiatrie an der Klinik In der Aue. Im Schnitt zahlten die Krankenkassen aber drei Prozent der Aufenthaltstage nicht oder nur nach Beantragung. Ein „überflüssiger“ Mehraufwand, der auf Kosten der Patienten ginge und den Rückfall vorprogrammiere, kritisierte Kliem auf der gestrigen Suchtkonferenz.
In Fortschreibung des 1. Potsdamer Suchtkonzepts von 2004 trafen sich rund 50 Akteure des Suchthilfesystems und Vertreter der Politik, um sich auszutauschen. Ziel der Konferenz ist laut der Sozialbeigeordneten Elona Müller, zu prüfen, „wo wir stehen und wo wir hinwollen“ auf dem Gebiet der Prävention und der Krankenhilfe mit Unterstützung der Selbsthilfe. In der Psychiatrie des Klinikums Ernst von Bergmann würden auf dem Gebiet der Entgiftung fast ausschließlich Alkoholkranke behandelt, gab Kliem einen statistischen Überblick. 74 Prozent der Patienten seien männlich, der Altersdurchschnitt liege zwischen 36 und 50 Jahren. „Allerdings nehmen wir keine Kinder und Jugendlichen auf“, relativierte er die Zahl. Symptomatisch sei der Sozialstatus: 55 Prozent der befragten Patienten seien arbeitslos. Mit der Krankheit setze oft eine Abwärtsspirale ein: körperliche Schäden, Arbeitslosigkeit, Bruch mit der Familie. Um auch jene zu erreichen, die schwer in Therapie zu vermitteln sind, habe die Psychiatrie jetzt eine monatliche Sprechstunde im Obdachlosenheim im Lerchensteig eingerichtet und dort bislang Kontakt zu 17 Bewohnern aufgenommen. Insgesamt bemängelte der Facharzt für Psychiatrie die erheblichen Sparmaßnahmen, zu denen man am Klinikum gezwungen sei. Auch personell werde abgebaut. Das bedeute für die Patienten, dass langfristige Entwöhnungsbehandlungen nicht möglich seien.
Den Personalmangel kritisierte auch der Leiter der AWO Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtkranke, Rolf Müller. Mit 2,875 Stellen könne man nur „elementare Suchtkrankenhilfe“ leisten. Im vergangenen Jahr habe die Beratungsstelle der Arbeiterwohlfahrt über 600 Klienten betreut. Die Süchte teilten sich wie folgt auf: 77,4 Prozent Alkohol, 10,6 Prozent Cannabis, 5,6 Prozent Heroin, je 1,4 Prozent Kokain und Amphetamine/Ecstasy sowie 0,4 Prozent Tabletten. Der Anteil illegaler Drogen sei deutlich höher als noch vor einigen Jahren. Dies, so Müller, hinge mit der Kooperation mit dem Verein für akzeptierende Drogenarbeit „Chill out“ zusammen. Nachdem die Landeszuschüsse für Suchtberatung 2003 gekappt wurden, mussten sich die Beratungsstellen neu formieren. Das hat zu Verunsicherungen bei der Klientel geführt, sagte Müller. Die Zahl der Beratungen sei damals rapide gesunken, die Lage inzwischen aber wieder stabil. Im Juni vergangenen Jahres habe seine Beratungsstelle die offizielle Anerkennung als ambulante Behandlungseinrichtung erhalten und seitdem zehn ambulante Entwöhnungen durchgeführt. N. Klusemann
N. Klusemann
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