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Landeshauptstadt: Pullover aus Zuckerrohr

Ex-Institutsleiter Paul erklärt Schülern Chemie

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Ein Raunen geht durch die Klasse, als Dieter Paul die honigfarbene, zähflüssige Masse vorsichtig ins Wasser gießt. Unter ständigem Umrühren verwandelt sich die Flüssigkeit, die der Kleinmachnower Chemiker kurz vorher als „Zelluloselösung“ vorgestellt hat, in einen groben, weißen Faden. „So entsteht der Textilfaden“, erklärt der Chemieprofessor den Neuntklässlern in der Maxim-Gorki-Gesamtschule in der Kleinmachnower Förster-Funke-Allee. „Viskose“, fügt er hinzu und lässt die Schüler auf den Waschzetteln ihrer Pullover nach dem Bestandteil suchen. Währenddessen erzählt der pensionierte Wissenschaftler davon, wie er einst in Kuba Textilfäden aus Zuckerrohr entwickelt hat.

Dieter Paul versuchte die Schüler am Montag in einer Unterrichtsstunde für den Beruf des Chemikers zu begeistern. Er war früher Leiter des Institutes der Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt (GKSS) Teltow-Seehof. „Wer weiß schon, was er werden will?“, hatte der 68-Jährige zu Beginn in die Runde gefragt und nur skeptische Blicke geerntet. In den kommenden 45 Minuten lernten die Schüler nicht nur, dass das Periodensystem der Elemente in ihrem Chemie-Kabinett längst überholt ist. Für Staunen sorgen auch die Kilopreise für Kupfer, Gold und Platin (fünf, 15 000 und 30 000 Euro). Entsprechend respektvoll behandeln die Schüler dann die in ein Tütchen eingeschweißte Feinunze Platin, die Paul durch die Klasse wandern lässt.

Auch eine künstliche Niere hat Paul mitgebracht: Ein etwa dreißig Zentimeter langes Plastikrohr, das fast 10 000 weiße Röhrchen aus Zellulose umfasst. Für solche Erfindungen, erklärt Paul, meldet ein Chemiker Patente an. Kopien hat er natürlich dabei, Patenturkunden aus Deutschland und den Vereinigten Staaten. Er selbst bekomme heute noch Geld, wenn eine seiner Erfindungen industriell genutzt werde, verrät Paul den Schülern. Er erwähnt aber auch die Vorteile reiner Grundlagenforschung: „Dort haben Sie am ehesten die Chance, einen Nobelpreis zu kriegen.“ Und eine Wahrheit, die die Schüler mit genervtem Stöhnen quittieren: „Heute ist das Lernen ein lebenslänglicher Vorgang.“

„Es ist ja alles letztendlich Chemie“, sagt Paul. Seine Wissenschaft definiert er kurzerhand als die Lehre davon „woraus etwas besteht, und was man daraus noch machen kann“. Ausgelernt habe er als Chemiker nie. Die unterhaltsame Stunde schließt Paul mit den Worten: „Ich hoffe, Sie werden alle Chemiker.“

„Ganz gut“, fand Lisa Drechsler den Einblick ins Wissenschaftlerleben. Besonders die künstliche Niere fand die 15-Jährige interessant. Kein Wunder: Die Neuntklässlerin möchte später Medizin studieren.

Die Zusammenarbeit mit der Maxim- Gorki-Schule, die Chemie-Biologie-Lehrerin Kathy Otto angeregt hatte, will Dieter Paul fortsetzen. Am kommenden Dienstag führt er die zwölfte Klasse durch das GKSS-Institut in Teltow-Seehof. „Ich halte das für eine wichtige Angelegenheit, denn nur so kann man die jungen Leute für Naturwissenschaften interessieren“, sagt Paul. Jana Haase

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