zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Quälende Wahrheiten der Vergangenheit Carola Stabe über Erfahrungen mit der Stasi

und den Versuch, darüber einen Film zu drehen

Stand:

Berliner Vorstadt - Carola Stabe lacht oft, wenn sie über die Vergangenheit spricht, obwohl es da wenig zu lachen gibt. Es ist ein Lachen, das versucht, die Erinnerungen auf Distanz zu halten und ihnen die Wucht und Macht zu nehmen, die sie einst hatten.

Am Mittwoch Abend ist Carola Stabe nach Jahren zurück gekommen in die Villa Kellermann, um hier vor dem Gesprächsforum Salon e.V. über ihre Vergangenheit in der DDR und ihre Erfahrungen mit der Staatssicherheit zu erzählen. Ausgerechnet im Kaminzimmer, in das sie im Oktober des Wendejahres 89 von hohen Funktionären und Stasi-Leuten zitiert wurde und nach Unterschriftenlisten gefragt wurde. Unterschriftenlisten von Mitgliedern oppositioneller Umweltgruppen, die bei einem Treffen in der Villa Kellermann am 7. Oktober 1989 gesammelt wurden und in denen sich Kritik am maroden Staatssystem der DDR äußerte. „Ich stand mit dem Rücken zur Wand, fühlte mich wie vor einem Tribunal“, sagte Carola Stabe und lacht. Es ist schon absurd. Damals kroch in ihr die Panik hoch, heute sitzt sie in geselliger Runde bei einem Glas Wein und spricht ganz frei über das Erlebte wie über etwas, das schon unendlich lang zurück zu liegen scheint. Dass es aber nur 19 Jahre sind, bekommt Carola Stabe immer wieder zu spüren.

Ihre Erfahrungen mit der Staatssicherheit hat die 52-Jährige vor wenigen Jahren nieder- und gleichzeitig von der Seele geschrieben. Der Autor, Filmemacher und Freund Stefan Roloff las die ersten 60 Seiten dieser albtraumhaften Erlebnisse und die Folgen durch die perfiden Methoden der „Zersetzung“ und sagte sofort: Daraus muss ein Film werden. Gemeinsam erarbeiteten sie ein Drehbuch, das durch die Europäische Union und das Land Brandenburg gefördert wurde. Doch bei der weiteren Umsetzung des geplanten Filmprojektes stoßen Stabe und Roloff immer wieder auf Widerstände. Eigentlich sollte im November in der Villa Kellermann, in der zu DDR-Zeiten der staatliche Kulturbund untergebracht war, gedreht werden. Doch komme es immer wieder zu Verzögerungen, so Roloff, der am Mittwoch ebenfalls nach Potsdam gekommen war. Am Betreiber des Hauses, Maximilian Dreier, liegt es aber nicht. Dreier hat den Dreharbeiten zugestimmt. Für ihn eine Selbstverständlichkeit, denn dieser Teil der jüngeren Geschichte gehört für ihn aufgearbeitet. Als er Anfang der 90er Jahre mit der Betreibung eines Restaurants in der Villa begann, musste er auch seine Erfahrungen mit den noch intakten Seilschaften der Stasi machen. Doch waren es weniger die eigenen Erfahrungen, die ihn bewogen, Carola Stabe und Stefan Roloff in die Villa zu einem Gespräch einzuladen. Von Carola Stabe hat Dreier erfahren, dass es noch immer vorkommt, dass sie bedroht wird, die Versuche ihrer Aufklärungsarbeit verhindert werden. Auch an anderen Beispielen, wie die fehlende Auseinandersetzung an Schulen, hat er gemerkt, dass über diesen Teil der Geschichte lieber geschwiegen wird. „Dieser Abend soll ein erster Schritt sein, das Thema wieder stärker in die Öffentlichkeit zu bringen“, sagt Dreier.

Catrin Eich, Museumspädagogin in der Gedenkstätte im ehemaligen KGB-Gefängnis in der Lindenstraße, kann das fehlende Interesse an Schulen nicht bestätigen. Seit Jahren kommen immer mehr Schulklassen in die Lindenstraße, selbst aus der Prignitz, um sich vor Ort und auch durch Zeitzeugengespräche über diese Geschichte zu informieren. An der Potsdamer Waldorfschule gewann vor zwei Jahren ein Projekt zu diesem Thema sogar den ersten Preis bei einem bundesweiten Wettbewerb. Auch die Zurückhaltung bei den Fernsehsendern, wenn Stabe und Roloff ihre Spielfilmprojekt vorstellen, obwohl Stabe dort schon den Satz gehört habe, dass nicht alle Stasi-Mitarbeiter schlecht waren, muss nicht immer in Verbindungen zu den alten Seilschaften zu suchen sein. „Das sind die knallharten Gesetze des Kapitalismus wenn gesagt wird, mit Filmen wie „Das Leben der Anderen“ und „Die Mauer“ sei das Thema gut bedient worden“, heißt es in der Runde. Maximilian Dreier kann das nicht gelten lassen. Auch Carola Stabe nicht. Aber sie muss oft lachen, wenn sie solche Argumente hört. Es scheint, als ob in diesen Momenten die quälenden Erinnerungen wieder stärker werden. Dirk Becker

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })