
© Marcel Mettelsiefen/Archiv
Von Leticia Witte: Rabbiner made in Potsdam
10 Jahre Abraham Geiger Kolleg: 22 Studenten lernen derzeit Hebräisch, Liturgie und rabbinische Texte
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Rabbiner Walter Homolka und viele andere sprechen von einem Wunder: Vor zehn Jahren wurde das Abraham Geiger Kolleg gegründet, den Angaben zufolge das erste Rabbinerseminar in Mitteleuropa nach dem Holocaust. Ausgerechnet in Deutschland, in dem Land, von dem der Terror der Nationalsozialisten gegen die Juden ausging. An dem Kolleg mit Sitz an der Universität Potsdam werden Männer und einige Frauen aus aller Welt zu jüdischen Geistlichen für liberale und konservative Gemeinden ausgebildet. Die Anerkennung sei groß und der Standard hoch, sagt Kolleg-Rektor Homolka. „Rabbiner made in Germany ist sozusagen ein Qualitätsbegriff geworden.“
Sechs Rabbiner und ein Kantor haben ihre Ausbildung am Kolleg bereits abgeschlossen. Sie arbeiten in Deutschland, Südafrika, USA, Tschechien und Spanien. Zuletzt wurde Mitte Juni die Ordination von vier Absolventen in Berlin gefeiert. 2006 war die erste Ordination von drei Rabbinern ein riesiges Medien-Ereignis: 60 Jahre nach dem Holocaust waren erstmals wieder in Deutschland Rabbiner geweiht worden – es waren Absolventen des Abraham Geiger Kollegs, die in der neuen Dresdner Synagoge im Rampenlicht standen.
Einer der künftigen „Rabbiner made in Potsdam“ ist Alexander Nachama, Sohn des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Andreas Nachama. Der 25-Jährige sagt, er habe bereits ein Judaistik- und ein Kantorenstudium hinter sich. Nun studiert er im zweiten Jahr am Kolleg. „So eine Chance kriege ich nicht noch einmal.“ Neben seiner Ausbildung ist er Kantor in einer Berliner Synagoge. „Ein Rabbiner muss sich auf die Gemeinde einstellen, in der er tätig ist. Er muss ein großes Wissen haben und fühlen, was seine Gemeinde von ihm will.“ Eher stockend hatte die Geschichte des Kollegs begonnen. „Wir brauchten eine Professionalisierung in jüdischen Gemeinden durch Rabbiner aus Deutschland“, erläutert Homolka. Nach der Wende wuchsen die Gemeinden mit dem Zuzug von Juden aus der früheren Sowjetunion. Auch sollte eine Rabbinerausbildung ohne Geldsorgen angeboten werden. Die Idee zur Errichtung eines Kollegs in Deutschland sei zunächst auf wenig Begeisterung gestoßen. „Kritiker sagten, auf der Asche der sechs Millionen ermordeten Juden sei das fast schon unanständig.“
Erst durch Fürsprache einflussreicher Rabbiner, die selbst aus Nazideutschland hatten emigrieren müssen, und die Anerkennung durch die Zentralkonferenz Amerikanischer Rabbiner sei das am 17. August 1999 gegründete Kolleg zu einer Erfolgsgeschichte geworden, sagt Homolka. Da mittlerweile alle Bundesländer finanzielle Unterstützung leisten, stehe das Kolleg jetzt auf stabiler Basis. Gelehrt wird in Berlin und an der Universität Potsdam. Die angehenden Rabbiner – derzeit sind es 22 – lernen zum Beispiel Hebräisch, Liturgie, rabbinische Texte und absolvieren Praktika. In zwei Jahren soll das Kolleg ganz auf den Campus in Potsdam umziehen. Für Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) steht fest: „Das Kolleg bereichert den Wissenschaftsstandort Potsdam und leistet, nicht zuletzt durch die Ausbildung von europaweit tätigen Rabbinern, einen wichtigen Beitrag für Verständnis und Akzeptanz.“ Durch die Arbeit des Kollegs werde das jüdische Leben bundesweit gestärkt.
In Europa werden Homolka zufolge Rabbiner nur am Abraham Geiger Kolleg und am Leo Baeck College in London auf akademische Weise ausgebildet. In Deutschland bekämen Studenten ein Stipendium von 700 Euro pro Monat - kürzlich habe sogar die Evangelische Kirche zwei Stipendien übernommen. Auf der einen Seite sei es wünschenswert, dass die Geiger-Absolventen in Deutschland bleiben, meint der Rektor. Auf der anderen Seite sagt er aber auch: „Überall auf der Welt gibt es Rabbinermangel.“ Nicht zuletzt könnten in Deutschland ausgebildete und im Ausland arbeitende jüdische Geistliche auch „Botschafter“ für ein „zeitgemäßes Image“ Deutschlands sein.
www.abraham-geiger-kolleg.de
Leticia Witte
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