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Aus dem GERICHTSSAAL: Rache oder Versehen?

Anklage: Den Falschen verdächtigt/80 Sozialstunden

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Aus dem GERICHTSSAALAnklage: Den Falschen verdächtigt/80 Sozialstunden War es Rache oder einfach nur ein Versehen? Manuela B.* (41) lag Anfang vorigen Jahres mit ihrem Bekannten Kostja K.* (32) im Clinch. Diesem war die Fahrerlaubnis entzogen worden. Am Abend des 12. Februar soll die Frau gegenüber zwei Polizeibeamten behauptet haben, Kostja sei soeben im Kirchsteigfeld in seinen Audi gestiegen und davongefahren. Eigentlich – so die Anklage – habe Manuela M. jedoch aus sicherer Quelle gewusst, dass der Mann derzeit in Russland bei seiner Mutter weile. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren gegen Kostja K. wegen Fahrens ohne Erlaubnis ein. Am 11. August 2003 kam es zur Gerichtsverhandlung, in deren Ergebnis der Russe freigesprochen wurde. Jetzt musste sich die Empfängerin von Sozialhilfe wegen falscher Verdächtigung vor dem Amtsgericht verantworten. „Ich dachte wirklich, er sei es“, beteuert die Arbeitslose. Inzwischen wisse sie allerdings, dass Kostja seinem Freund, der ihm – zumindest von hinten – sehr ähnlich sehe, während seiner Abwesenheit erlaubt habe, sein Fahrzeug zu nutzen. Später habe sie die Anzeige ja auch zurückgenommen. Doch da hätten Justitias Mühlen bereits zu mahlen begonnen. „Warum haben Sie denn nicht wenigstens vor der mündlichen Verhandlung gegen Kostja K. reinen Tisch gemacht?“, möchte die Vorsitzende wissen. Die Angeklagte behauptet, sie habe die Vorwürfe gegen ihren Bekannten just an jenem Tag schriftlich anulliert und dies dem Gericht mitgeteilt. So sehr die Richterin auch in der Akte blättert, ein Hinweis darauf findet sich hier nicht. „Vielleicht in den Unterlagen von Kostja K.?“, vermutet der Staatsanwalt. Doch die sind momentan nicht greifbar. Der einst zu Unrecht Beschuldigte kann sich heute nicht mehr daran erinnern, ob Manuela B. unmittelbar vor seinem Prozess mit der Wahrheit herausrückte, oder ob sie erst im Zeugenstand Zweifel an seiner Täterschaft bekundete. „Auf Grund Ihrer Verdächtigung wurde ein Strafverfahren gegen einen unbescholtenen Bürger eingeleitet“, grollt der Vertreter der Anklage. Manuela M. schaut schuldbewusst. Das Gericht meint, das Verfahren gegen die bislang nicht Vorbestrafte müsse nicht mit einem Urteil enden und stellt das Verfahren gegen die alleinerziehende Mutter gegen Ableistung von 80 Sozialstunden ein. (*Namen geändert) G. Hohenstein

G. Hohenstein

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