War das eine Aufregung! Schlagzeilen! Aufruhr! Große Versammlungen! Und alles nur, weil Brandenburgs Regierungssprecher einen Kameramitschnitt nicht so toll fand, der unseren Landes-Matthias mal nicht fröhlich, sondern – auf gut Deutsch – angepisst zeigt. Na und? Ich verrate mal was, was wahrscheinlich kein Geheimnis, aber immer wieder erstaunlich ist: Als Journalist erfährt man mitunter bei einer Recherche mehr, als für einen Artikel gebraucht wird, aber dennoch gut ist.
Vor Kurzem habe ich bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg angerufen, weil ich etwas über Radiosender wissen wollte. Die Dame am anderen Ende der Leitung meinte, dass mir da am besten ihr Kollege helfen könne, nur sei der leider nicht da. Ich solle es doch später nochmal probieren. Wie er denn heiße, der Kollege, wollte ich wissen. „Ach, da muss ich mal nachschauen“, flötete die Dame und erzählte mir, dass der Kollege erst geheiratet habe und jetzt den Namen seiner Frau habe. Oder einen Doppelnamen.
Als ich ein paar Tage später, an einem frühen Mittwochvormittag, den Kollegen erreichte, erklärte er mir, dass er noch nicht ganz wach sei. Ich zeigte Verständnis: „Klar, kenn ich. So ist das, wenn man frisch verheiratet ist.“ Ich überlegte sofort, ob das bereits eine Vertraulichkeitsebene zu viel ist für unabhängigen Journalismus. Doch vielmehr klang in der Antwort meines Radio-Informanten unterschwellig mit, dass ich nicht gut recherchiert hatte. „Och, meine Hochzeit ist ja schon ein Jahr her“, wurde ich informiert. Ah ja. Und außerdem erfuhr ich, dass nach einem Ehejahr die Mittwochmorgende eher unaufgeregt sind. Sieh an.
Kurz danach hatte ich ein Telefonat mit einem Verbandspräsidenten. Es war fürchterlich. Der Herr hat einen Hund, der mächtig aufgeregt bellte, sodass kaum ein Gespräch möglich war. Aber immerhin erfuhr ich, dass es beim Verbandspräsidenten an der Haustür geklingelt hatte und der Besuch aus dem Schwarzwald endlich da sei.
Ich habe in den Artikeln nicht erwähnt, dass es in der Medienanstalt einen Mitarbeiter gibt, der jetzt so ungefähr seinen ersten Hochzeitstag feiert und einen durchschnittlichen Tagesauftakt hatte. Und auch nicht, dass der Verbandspräsident ein Autoritätsproblem gegenüber seinem Hund hat. Aber ich finde es sympathisch. Genauso sympathisch finde ich es, wenn Matthias Platzeck mal nicht lächelt, sondern auch mal genervt die Schnauze voll hat. Und das würde ich sogar schreiben – oder gern sehen. Weil es repräsentativ ist – für den Radio-Experten, das Hundeherrchen – und mich.
Unser Autor ist freier Journalist und arbeitet als Lauf- und Fitnesstrainer. Er lebt in Potsdam.
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