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Landeshauptstadt: Radler auf Abwegen

Polizei kontrollierte 264 Radfahrer – 48, 8 Prozent von ihnen verstießen gegen Regeln

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Polizei kontrollierte 264 Radfahrer – 48, 8 Prozent von ihnen verstießen gegen Regeln Von Sabine Schicketanz Der Strafe ist der ältere Mann gerade noch entgangen, den ironischen Kommentar kann er sich dennoch nicht verkneifen. „Vorsicht, ganz gefährliche Radfahrer“, murmelt er, als er sich wieder auf seinen Drahtesel schwingt. Die Polizisten überhören den Unmut routiniert. Dass es einigen Radfahrern gar nicht gefällt, kontrolliert zu werden, sind die Beamten gewohnt. „Die sind im Stress und müssen zur Arbeit, da fehlt dann das Verständnis“, sagt Polizeikommissar Dietmar Rehder. Der erste Radler, der kurz nach sechs Uhr an diesem Dienstagmorgen auf der Zeppelinstraße Ecke Lennéstraße angehalten wird, schleudert den Beamten gar ein „Haben Sie denn nichts Besseres zu tun!“ entgegen. Die in diesem Fall ganz ernst gemeinte Antwort lautet Nein. Denn die Kontrollaktion, die an diesem Tag zeitgleich an zwei Stellen an der Breiten Straße, in der Rudolf-Breitscheid-Straße und eben in der Zeppelinstraße stattfindet, ist der Auftakt einer Radfahrer-Offensive. 264 Radler werden die Beamten in den zwei Morgenstunden insgesamt überprüft haben, bei 48,8 Prozent von ihnen müssen sie Regelverstöße feststellen. „Es ist nicht gestattet, dass man etwas an den Lenker hängt“, sagt Polizeikommissar Rehder zu dem Radfahrer, der seine Lenkerstange mit schweren Einkaufstüten beladen hat. „Ach ja?“, fragt der Mann ungläubig. Den Hinweis des Polizisten – „ich würde Ihnen empfehlen, zu schieben“ – ignoriert er schlicht. Ein Ordnungsgeld droht hier allerdings nicht. Das war, weiß Oberkommissar Jürgen Kutzner, zu DDR-Zeiten anders. „Da kostete das fünf Mark.“ Kassiert wird heutzutage bei anderen Delikten, die im Amtsdeutsch Ordnungswidrigkeiten heißen: Ab morgen kostet es den Radler 25 Euro, wenn er mit Handy am Ohr erwischt wird; wer den Radweg nicht in Fahrtrichtung benutzt, muss zehn Euro zahlen und wer auf der Straße fährt, obwohl ein Radweg vorhanden ist, löhnt fünf Euro. Bei fehlenden Lampen, Bremsen, Klingeln oder Reflektoren am Fahrrad hat der Polizist einen Ermessensspielraum – fünf bis zehn Euro kann er kassieren. Und wer mit einem Alkoholwert ab 1,6 Promille auf dem Sattel erwischt wird, ist sogar seinen Autoführerschein los. Tatsächlich zur Kasse gebeten werden an diesem Morgen allerdings fast nur die Falschradler. Wobei manche sich ihres Vergehens gegen die Straßenverkehrsordung kaum bewusst sind. „Der Weg hier ist nur für eine Richtung?“, fragt ein gestoppter Radler verblüfft und gesteht Oberkommissar Kutzner auch, dass er diese Strecke schon seit Jahren fahre. Der wiederum hofft, dass die zehn Euro Verwarngeld einen „erzieherischen Effekt“ haben. „Das wird er sich merken, er fährt hier bestimmt nicht mehr lang.“ Währenddessen sieht ein Radfahrer auf der anderen Straßenseite, der ebenfalls in falscher Fahrtrichtung unterwegs ist, das „Unheil“ kommen: Kaum hat er die Polizisten erblickt, macht er hektisch kehrt. Das soll, sagt Kommissar Rehder, eigentlich nicht passieren – andererseits weiß der junge Mann zumindest, dass er etwas falsch macht. Denn das Unrechtsbewusstsein, so scheint es am Kontrollmorgen, scheint nicht unter allen Radlern verbreitet zu sein. Oft machen die Gestoppten verwunderte Gesichter und sind sich offensichtlich keiner Schuld bewusst. Außerdem gibt es auch Pedalritter, die sich ohne Scheu als Verkehrsrowdys erproben – obwohl ihnen, wie die Polizei nicht müde wird zu betonen, sämtliche „Airbags“ fehlen. Den Fahrradfahrer, der statt den Radweg die stark befahrene Zeppelinstraße nutzt, ein Auto schneidet, wildes Hupen provoziert und dann im Zick-Zack-Kurs durch die Wagenkolonne nach links abbiegt, kriegen die Polizisten nicht zu fassen. Viel zu schnell ist er verschwunden. Über so viel Unvernunft schütteln die Beamten nur den Kopf. „Radfahrer live“, sagt einer leise. „Das ist doch ein Kampf gegen Windmühlen.“ Vernünftig geben sich dagegen viele, die auf verkehrssicheren Rädern angehalten werden. „Ich find“ das okay“, ist die am häufigsten geäußerte Meinung zu den Kontrollen, und die Potsdamerin Gabriele Fruth ist geradezu begeistert. Was es heißt, wenn ein Falschfahrer per Rad unterwegs ist, hat sie am eigenen Leib erfahren: „Auf der Zeppelinstraße in der Höhe Am Bogen bin ich mit einer Radfahrerin zusammengestoßen – ich war sechs Wochen arbeitsunfähig.“ Deshalb wünscht sie sich, dass die Polizei noch viel mehr auf die Verkehrssünder unter den Radlern aufpasst. „Das ist der Sinn unserer Kontrollen. Wir wollen Präsenz zeigen und damit die Leute sensibilisieren“, sagt Kommissar Rehder. Und gegen die unhöflichen Kommentare, die manch einer sich nicht verkneifen kann, kennt Rehder auch ein Mittel. „Soziale Kompetenz“ müssten die Polizisten haben – und gelassen bleiben.

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