
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Radler auf Konfrontationskurs
Stadtverwaltung warnt vor Radfahren auf der falschen Straßenseite – Mitarbeiter stoppten 29 „Geisterradler“
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„Hallo, wissen Sie, dass Sie auf der falschen Seite fahren?“ Die Mitarbeiterin des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) hat einen jungen Mann vom Radweg herbeigewinkt, der dort als sogenannter Geisterradler unterwegs war. „Ja, weiß ich schon“, meint er leicht verlegen. Überrascht ist er, als er erfährt, dass es in den Jahren 2008 und 2010 zwischen den Kreuzungen Zeppelinstraße/Breite Straße und Luisenplatz fünf Unfälle mit Leichtverletzten gab, bei denen Geisterradler involviert waren.
Vielen ist gar nicht bewusst, welche Risiken das Fahren auf der falschen Seite haben kann. Um für Aufklärung zu sorgen, haben Mitarbeiter der Stadtverwaltung, des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) und des VCD am Mittwoch erstmals die Aktion „Geisterradler“ an der Zeppelinstraße durchgeführt: „Wir bestrafen heute niemanden, wir wollen einfach das Gefahrenbewusstsein schärfen“, sagt Torsten von Einem, der Radverkehrsbeauftragte der Stadt Potsdam. Rechtlich gesehen ist die Sache klar: Auf der falschen Seite Rad fahren ist eine Ordungswidrigkeit und kann mit 20 Euro bestraft werden. „Bei Unfällen mit Geisterradlern trifft die Radfahrer zumindest eine Teilschuld“, so von Einem.
Hauptgefahr beim Geisterradeln: Autofahrer rechnen an Kreuzungen schlichtweg nicht mit Radfahrern aus der anderen Richtung, und können diese beim Abbiegen schneiden. „Das Radfahren in Potsdam ist aber überwiegend sicher“, so Torsten von Einem. Zu diesem Ergebnis kommt die Analyse des Radsicherheitskonzeptes der Stadt Potsdam, das nach drei tödlichen Fahrradunfällen im Jahr 2010 in Auftrag gegeben und Anfang 2013 abgeschlossen worden war. 20 Prozent des Verkehrs in Potsdam wird laut der Untersuchung mit dem Rad bestritten, allerdings seien nur an sechs Prozent der Unfälle in der Landeshauptstadt Fahrräder beteiligt. Von Einem bestätigt jedoch auch, dass die Radunfälle 2013 zugenommen haben: „Das liegt aber auch daran, dass es insgesamt mehr Radfahrer in der Stadt gibt.“ Allein im August hat es zehn Fahrradunfälle in Potsdam gegeben, im April 2013 war eine 23-jährige Radfahrerin bei einem Unfall in der Pappelallee gestorben.
Die Beteiligten der Geisterradler-Aktion haben alle Hände voll zu tun: Immer wieder kommen Radfahrer von der Kreuzung Zeppelinstraße/Breite Straße angesaust. Manche haben es zu eilig für eine Belehrung, andere halten jedoch an: „Es ist nur ein kurzes Stück, das ich so fahre“, verspricht eine der Angehaltenen. „Ich finde es einfach unbequem, auch wenn ich weiß, dass es gefährlich ist“, meint eine andere Potsdamerin. Viele der Angesprochenen wechseln aber brav die Straßenseite. „Bequemlichkeit dürfte ein Hauptgrund sein“, sagt von Einem, „natürlich kostet es oft Zeit, an einer Kreuzung über zwei Ampeln zu fahren, um die Seite zu wechseln.“
Eine Möglichkeit, das Geisterradeln zu verhindern, sind laut von Einem spezielle Hinweisschilder. Aber ist das im deutschen Schilderwald wirklich zielführend? „Es wären inoffizielle Schilder, also keine Verkehrszeichen, die auch nicht wie solche aussehen“, versichert von Einem. Denkbar seien auch Markierungen direkt auf dem Radweg. Ob solche Warnhinweise aber überhaupt kommen, ist noch unklar.
Bei der einstündigen Aktion wurden insgesamt 29 Geisterradler angehalten. „Ich hätte eigentlich mit noch mehr gerechnet“, sagt Torsten von Einem, „aber vielleicht haben wir mit unseren auffälligen Warnwesten den einen oder anderen abgeschreckt.“ Nächstes Jahr soll die Aktion an einer anderen Gefahrenstelle wiederholt werden. Erik Wenk
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