Landeshauptstadt: Randale in der Pizzeria
Dem Gast erschien die Rechnung zu hoch, da rastete er aus und beleidigte die Gaststättenbetreiber
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Dem Gast erschien die Rechnung zu hoch, da rastete er aus und beleidigte die Gaststättenbetreiber AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein Zu Beginn des Prozesses verdammt Gerrit H. (29) – angeklagt wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Beleidigung – die Staatsanwaltschaft in Grund und Boden. Er sei eine Person des öffentlichen Lebens, habe 2002 für den deutschen Bundestag kandidiert, so der Diplom-Politologe. Dass er nun arbeitslos sei, wäre Schuld der Anklagebehörde, die ihm durch üble Nachrede seine Karriere in der Außenpolitik vermasselte. Mit bewundernswerter Geduld lauscht der Vorsitzende Richter der Tirade. Als die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft schließlich die Anklage verliest, lehnt sich der Möchtegern-Politiker entspannt zurück, lächelt ironisch. Aus Ärger um die seiner Meinung nach überteuerte Rechnung soll Gerrit H. am 29. März 2003 in der Pizzeria Nr. 1 in der Jägerstraße Geschirr im Wert von rund 80 Euro durch die Gegend geworfen, sodann die ausländischen Betreiber beleidigt haben. „Ich wollte mir in Potsdam einen schönen Tag machen“, erzählt der Alt-Bundesbürger. Als ihn der Hunger packte, habe er in besagter Gaststätte gerastet, eine Mini-Pizza samt Cola bestellt. Weil ihm der geforderte Preis von 5,80 Euro zu hoch erschien, sei es zu einer Diskussion mit dem Betreiber gekommen, in deren Verlauf ein Tisch umkippte, das darauf stehende Getränkeglas dem Pizzeria-Chef versehentlich auf den Fuß gefallen sei. „Daraufhin hat er mich gepackt und gegen die Theke gedrückt“, berichtet der Angeklagte. Dort habe bereits ein Angestellter mit gezücktem Messer gewartet und ihn bedroht. „Ich hatte Angst und wollte nur noch weg.“ Da habe er ein in der Nähe liegendes Kellnerportemonnaie ergriffen und in die Gegend geworfen. Dass es einen älteren Herrn am Oberkörper traf, sei nicht beabsichtigt gewesen. Im Eifer des Gefechts sei ein Mitarbeiter gegen einen Geschirr-Wagen gekracht, habe den aus Versehen abgeräumt. „Der Gast bestellte Mini-Pizza und Cola. Als ich 5,80 Euro dafür kassieren wollte, sagte er, das sei viel zu viel. Außerdem hätte er nur fünf Euro dabei“, erinnert sich der Pizzeria-Betreiber im Zeugenstand. „Der Mann war sehr erregt. Er ergriff das volle Glas und warf es gegen meine Beine. Dann kippte er den Tisch um. „Als ich die Polizei rufen wollte, brüllte er: Ihr Scheiß-Ausländer seid sowieso alle illegal hier und arbeitet schwarz.“ Sein Kollege ergänzt: „Der Angeklagte wollte immer abhauen. Deswegen haben wir die Tür verschlossen. Da hat er Speisekarten und Zahnstocher auf der Erde verstreut und ist darauf herumgetrampelt.“ Nein, ein Messer habe er im Gastraum nicht in der Hand gehabt, beteuert der Zeuge. Dies bestätigt auch Anita H. (26). Die Studentin betrat die Pizzeria, als die Situation eskalierte. „Es ging ganz schön zur Sache. Aber ein Messer war nicht im Spiel“, ist sich auch Annika P. (19) – an jenem Tag ebenfalls Gast der Pizzeria – sicher. Der Richter hat genug gehört: Das Urteil: 90 Tagessätze zu je 10 Euro wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung. Freispruch vom Vorwurf der Sachbeschädigung.
Gabriele Hohenstein
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