Landeshauptstadt: Rapport und Schaukelpferd
Das Potsdam Museum ist mit der Dauerausstellung zur Stadtgeschichte komplett: Zur gestrigen Eröffnung kamen Hunderte Besucher, die das neue Haus entdecken wollten
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Die Eintragungen am 6. September 1783 in der Spalte „Einpassirt“ sind so ordentlich geschrieben, dass die beiden alten Damen sie noch gut lesen können. „Ein Feldjäger kommt von Zehlendorff“, steht gleich in der ersten Zeile. Und er hat, sofern es derselbe war, am selben Tag Potsdam verlassen, unter „Auspassirt“ findet sich im Rapport der Königswache wieder ein Feldjäger. „Natürlich können wir das noch lesen“, sagt eine der beiden Schwestern. Sie sind Mitte Achtzig, beide aus Potsdam, und finden das neue Museum sehr sehenswert. Besonders der übersichtliche Stammbaum der Hohenzollern hat es ihnen angetan. „Man vergisst ja viel, wer wann regiert hat, das hier ist Geschichte zum Auffrischen“, sagt eine der beiden.
Die Damen gehörten am gestrigen Sonntag zu den Hunderten Besuchern, die das neue Potsdam Museum bei freiem Eintritt erkundeten. Während auf dem Alten Markt Musik und eine Theatergruppe Unterhaltung bot und feierliche Reden gehalten wurden, strömten bereits die ersten Gäste durch die obere Etage des Hauses, wo endlich die Dauerausstellung zur Stadtgeschichte freigegeben wurde. Nur schubweise ging es manchmal voran. Viele Potsdamer sind sehr neugierig auf ihr Stadtmuseum.
In dem alten Museum in der Benkertstraße sei es doch sehr eng gewesen, hört man immer wieder. Manch einer war dort überhaupt nie gewesen, andere vor sehr langer Zeit. Wie eine Dame, die jetzt in der Schlange steht. „Ich war damals Lehrerin, ich wollte informiert sein“, sagt sie. Jetzt sei sie zwar im Ruhestand, aber nachmittags betreut sie in der Schule am Nuthetal noch eine AG, und nächste Woche will sie mit den Kindern bereits das Museum besuchen.
Ole Beißwenger ist zwölf Jahre alt, im Schnelldurchlauf hat er mit seinem Vater das Museum erkundet. Er wird gern wiederkommen. „Ist auf jeden Fall empfehlenswert“, sagt er, und besonders schön findet er die Darstellung der historischen Straßenführung rund um Alten Markt. „Das hab ich bisher noch nicht kapiert, wie das früher war“, sagt er.
Ein Familienmuseum ist es geworden, wie es früher war, das ist hier durchaus zu erleben. Vor allem ist es gelungen, ein Stadtmuseum zu konzipieren. „Es war eine Herausforderung, eben kein Preußen- oder Hohenzollern- oder Militärmuseum zu schaffen“, gestand Ralf Pröve vom wissenschaftlichen Beirat. Zwar findet dieser Teil der Stadtgeschichte seinen Platz, dennoch ist Potsdam eben weit mehr: eine Stadt der Kunst und Wissenschaft, der Moderne, der Architektur – und das nicht erst seit wenigen Jahren. Das zeigen beeindruckende Objekte und Leihgaben, historische Instrumente vom Geoforschungsinstitut, damals noch Geodätisches Institut, beispielsweise.
Neben dem 20. Jahrhundert und dem Nationalsozialismus ist auch die Garnisonkirche oder das, was von ihr übrig ist, Anziehungspunkt und Hingucker. „Eckttrophäe vom Turm“ heißt ein prächtiges Stück Zierwerk, das vor der Sprengung abgebaut wurde und aus einem Leipziger Museum zurückgekehrt ist.
Mancher Besucher hätte sich von der jüngeren Vergangenheit sogar noch mehr gewünscht. „Einige Themen wie die Potsdamer Konferenz hätten mehr Platz verdient“, so ein Potsdamer. „Die Ausstellung ist etwas plakativ, sie könnte vertiefender sein“, sagt er. Überladen findet er die Auswahl ganz und gar nicht.
Während die Besucher noch durch das Haus strömten, fand im Veranstaltungssaal ein Potsdam-Quiz statt. Wer sich mit Stadtansichten auskannte, ging mit einem Preis nach Hause.
„Es gibt keinen spannenderen Ort zur Darstellung des Werdens und Wachsens der Stadt, der Brüche und Zäsuren des 20. Jahrhunderts“, sagte am Sonntag Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) in seiner Rede. Bis in die aktuelle Gegenwart finden sich dafür Bezüge. Eine der am weitesten gereisten Besucherinnen war Annelene Trapp, Enkelin des Potsdamer Architekten Heinrich Laurenz Dietz. Die 91-Jährige kam aus Köln und war gerührt, dass das Bild, welches sie als Kind auf einem Schaukelpferd zeigt, im Potsdam Museum zu sehen ist und dadurch auch ihr Vater gewürdigt wird, sagte Museumsleiterin Jutta Götzmann.
Götzmann übernahm 2008 die Leitung des Potsdam Museums in der Benkertstraße. „Damals hatten wir zuletzt bestenfalls 8000 Besucher im Jahr“, sagt sie gegenüber den PNN. Bereits im letzten Jahr zog das neue Haus am Alten Markt, für 9,4 Millionen in den letzten Jahren aufwendig saniert, fast 22 000 Besucher an. Vergangenen August war das Haus mit einer Ausstellung zum Friedrich-Jahr eröffnet worden, dazu kam die Sprotte-Ausstellung, seit wenigen Wochen wird „Lebenswerke“ gezeigt. „Wir rechnen mit 30 000 bis 35 000 Besuchern im Jahr“, so Götzmann. Im Angebot sind Sonderführungen für Schulklassen, Sehbehinderte, Menschen mit verschiedensten Einschränkungen, sagt die Museumschefin.
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