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Landeshauptstadt: Rasenmähen statt Rumhängen

Wohlfahrtsverbände diskutieren 1-2-Euro-Jobs. Diakonie plant 40 Stellen.

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Wohlfahrtsverbände diskutieren 1-2-Euro-Jobs. Diakonie plant 40 Stellen. „Eine klasse Idee“ findet Angela Basekow, Geschäftsführerin des Kreisverbandes der Arbeiterwohlfahrt (AWO), die 1- bzw. 2-Euro-Jobs, die mit Hartz IV eingeführt werden sollen. Solange die neuen Stellen keine Arbeitsplätze verdrängen, werde Langzeitarbeitslosen eine Chance gegeben, sich beruflich umzuorientieren und auszuprobieren, ob der Sozialbereich für sie als Arbeitsfeld in Frage kommt. Das Modell, mit dem Empfänger von Arbeitslosengeld II durch einen Job etwas hinzuverdienen können, funktioniert, ist sie sicher. Man müsse nur gut darüber nachdenken, wie sich die Jobs gestalten lassen und zu welchen Rahmenbedingungen. Wie viele der 2500 neuen Jobs, die die Bundes-AWO angekündigt hat, in Potsdam entstehen könnten, ist offen. Der Kreisverband ist dabei, ein Konzept zu entwickeln. Ähnlich wie bei der AWO sieht es bei anderen Potsdamer Wohlfahrtsverbänden aus. Es wird nach Umsetzungsmöglichkeiten für Hartz IV gesucht, über Richtlinien, mögliche Probleme und Risiken diskutiert. Dabei sprechen sich einige Verbände auch gegen die Jobs aus. Die Bundesagentur für Arbeit hat noch keine konkreten Vorstellungen, wie und ob sie überhaupt mit den Wohlfahrtsverbänden zusammenarbeiten wird, erklärte der Arbeitslosengeld-II-Experte der Arbeitsagentur Potsdam. Wolf Kuhn. Die Stadt hat Gespräche auch über eine finanzielle Unterstützung der Jobs mit der Agentur und den Wohlfahrtsverbänden angekündigt. Den langzeitarbeitslosen Professor in der Altenpflege hält Marcel Kankarowitsch vom Diakonischen Werk Potsdam für ein Schreckgespenst. „Hochqualifizierte Arbeitskräfte werden selten zu den Beziehern von ALG II gehören.“ Betroffen seien vielmehr Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt chancenlos seien. Die Diakonie in Potsdam werde rund 40 Stellen zur Verfügung stellen. Die neuen Jobs können durchaus eine Bereicherung sein, ist sich Kankarowitsch sicher. Bestimmte Aufgaben, die im Zuge von Einsparungen weggefallen seien, könnten übernommen werden. Zum Beispiel Spaziergänge mit Rollstuhlfahrern, Vorlesen im Seniorenheim oder Rasenmähen. „Fordern und Fördern“, wie es die Arbeitsagentur vorhat, seien ohne zusätzlichen Aufwand nicht möglich, meint er. Die Personaldecke sei zu dünn, die Verbände könnten den Aufwand und die Kosten dafür nicht tragen. Zu den Schwerpunkten der Reform gehöre, Arbeitslosengeld II-Empfänger unter 25 Jahren nicht in Fortbildungen rumhängen zu lassen. Stattdessen sollen sie demnächst in einen Arbeitsalltag integriert werden, meint Konstantin Engels vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Das Deutsche Rote Kreuz steht den Jobs zurückhaltend gegenüber, erklärt Wolfgang Hennig vom Kreisverband Potsdam/Zauch-Belzig. Die Jobs seien keine neue Erfindung. Bisher gab es unter dem Namen „Arbeit statt Sozialhilfe“ ähnliche Projekte. Die Zuverlässigkeit der zugewiesenen Sozialhilfeempfänger sei dabei leider bescheiden gewesen und das Interesse der Empfänger geringer als das Angebot. Das DRK biete voraussichtlich nicht viele Jobs an. Anders die Caritas. Sie werde in jedem Fall Stellen bereitstellen, berichtet Landesgeschäftsführer Andreas Kaczynski – in Altenheimen, Sozialstationen und Krankenhäusern. Das allerdings nur zu bestimmten Bedingungen: Die Helfer sollen freiwillig kommen und zwischen Arbeitsfeldern wählen können. Die Qualifizierung müsse Schwerpunkt der Reform sein, um tatsächlich die Voraussetzung zu verbessern, anschließend einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erhalten. Mitarbeiter sollen die neuen Kräfte anlernen und als Ansprechpartner begleiten. Sozialkompetenz, Bewerbungstraining, Mobilitätstraining soll auf dem nebenbei laufenden Trainings-Programm stehen. Bei der Finanzierung sieht Kaczynski die Arbeitsgemeinschaft von Sozialamt und Bundesagentur in der Pflicht. Derzeit stimmt sich die Caritas mit den anderen fünf großen Wohlfahrtsverbänden ab, um einen Handlungsrahmen für Brandenburg festzulegen. Obwohl die Verbände an der Arbeitsmarkt-Reform mitgewirkt haben, steht Kaczynski die Reform zwiespältig gegenüber. Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe sei notwendig gewesen. Das durch die Reform der ostdeutsche Arbeitsmarkt angeregt wird, kann er sich aber kaum vorstellen. Marion Hartig

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