Landeshauptstadt: Rassismus – oder häusliche Gewalt? Streit um Sohn: Kritik einer Migranten-Familie wegen Polizei-Einsatz – und harte Gegenvorwürfe
Gross Glienicke - Die Geschichte ist kompliziert, die Vorwürfe hart, es geht vielleicht um Rassismus von Polizisten, aber auch um mögliche häusliche Gewalt – und einen Konflikt in einer Migrantenfamilie, der am Samstag gegen Mittag einen Polizeieinsatz im Wohngebiet An der Kirche ausgelöst hat. Dabei wurde laut Darstellung der Polizei der 17-jährige Ahmed H.
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Gross Glienicke - Die Geschichte ist kompliziert, die Vorwürfe hart, es geht vielleicht um Rassismus von Polizisten, aber auch um mögliche häusliche Gewalt – und einen Konflikt in einer Migrantenfamilie, der am Samstag gegen Mittag einen Polizeieinsatz im Wohngebiet An der Kirche ausgelöst hat. Dabei wurde laut Darstellung der Polizei der 17-jährige Ahmed H. nach Hinweis eines seiner Bekannten zum Jugendnotdienst „Fluchtpunkt“ gebracht, weil er über längere Zeit geschlagen worden sei. „Wir mussten handeln“, sagte ein Potsdamer Polizeibeamter am Wochenende den PNN. Ahmed H.“s Eltern bestreiten diesen Vorwurf – und kritisieren ihrerseits das Vorgehen der beiden Polizisten, die bei dem Einsatz vor Ort waren.
Denn nach der Darstellung der Mutter von Ahmed H., der 44-jährige Malgorzata H., haben sich die zwei Polizisten dabei möglicherweise über ihre Befugnisse hinweg gesetzt. So hätten die Beamten nur unzureichend über ihr Anliegen informiert, kein amtliches Schreiben mitgeführt. Als die Sicherheitskräfte ihren Sohn mitnehmen wollten, hätte sie ihn festhalten wollen, so die gebürtige Polin. „Da packten sie mich an beiden Oberarmen und schubsten mich grob“, so Malgorzata H. Ebenso habe ein Polizist ihr die Zigarette entrissen – und gesagt, dass sie in Deutschland deutsch zu sprechen habe. Bei dem Einsatz habe sie vier Hämatome an beiden Oberarmen erlitten – das entsprechende Attest aus dem Potsdamer Klinikum liegt den PNN vor.
Ein Polizeibeamter bestritt gestern auf Nachfrage eine Körperverletzung durch seine Kollegen. Allerdings hätte es „Widerstand der Mutter“ gegeben, sie habe wohl eine „Uniform-Phobie“. Alles weitere würde am Montag geklärt. Eine erste Befragung des 17-jährigen Jungen habe schon stattgefunden: „Es hat sich ein strafrechtlicher Zusammenhang ergeben.“ Am Montag würde das Jugendamt zu dem Fall hinzugezogen.
Auch die Eltern wollen dann mit dem Jugendamt über den Fall ihres Sohnes sprechen – und mit ihrem Anwalt eine Anzeige wegen Körperverletzung gegen die beiden eingesetzten Polizisten prüfen. „Das war Rassismus“, sagte gestern Mohamed H., der aus dem arabischen Raum stammende Mann von Malgorzata H., der selbst bei dem Vorfall allerdings nicht dabei war. Jedoch gibt es den PNN vorliegende unterschriebenen Aussagen von mehreren Kindern bis 14 Jahren, dem Bruder und der kleinen Schwestern von Ahmed H. und einem weiteren Zeugen, die das möglicherweise zu harte Vorgehen der Polizei beweisen sollen.
Gegenüber den PNN sprach die seit 2006 in Potsdam lebende Familie gestern auch über das offenbar schwierige Verhältnis zu ihrem 17-jährigen Sohn. Dessen Schulleistungen hätten sich in den letzten Monaten deutlich verschlechtert, erzählten die Eltern, die vor mehr als zehn Jahren nach Deutschland kamen. Ebenso hätten hohe Handyrechnungen und Beziehungen zu Mädchen für Konfliktstoff gesorgt. Vergangenen Monat dann der Höhepunkt: Am Abend des 20. Februars soll Ahmed H. laut damaligen Polizeibericht ohne Führerschein in einem fremden Auto gefahren sein. Eine Streife wollte ihn wegen Fahren ohne Licht kontrollieren. Auf der Flucht kollidierte er mit einem Opel in der Feuerbachstraße und beschädigte eine Parkplatz-Schranke. „Deswegen hat er ein begrenztes Ausgeh- und Computerspiel-Verbot bekommen“, so Mohamed H. – doch geschlagen habe er ihn nicht. „Ich habe kein so hartes Herz.“
Der Akademiker mit islamischen Glauben ist in der Migranten-Szene bekannt: Er arbeitet mit einem Verein daran, in Potsdam ein deutsch-arabisches Integrations- und Kulturzentrum zu gründen.
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