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Potsdam: Rathaus ließ Wald an Investor verkaufen

Stadt beförderte mit dem Waldverkauf schon Anfang 2009 die umstrittenen Pläne für den „Drewitz-Park“. Inzwischen gibt es vier neue Varianten für die Entwicklung des Kirchsteigfelds

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Kirchsteigfeld - Eklat um das umstrittene Vorhaben „Drewitz-Park“ im Kirchsteigfeld: Schon lange bevor sich das Stadtparlament offiziell mit den Plänen für das neue Einkaufszentrum befasste, hat das Potsdamer Rathaus den Investor Henrik Aldinger indirekt unterstützt. Die Verwaltung befürwortete Anfang 2009 einen Verkauf von 8,7 Hektar Staatswald an Aldinger – und das, obwohl das Areal im Potsdamer Flächennutzungsplan als Wald ausgewiesen ist, der zugehörige Bebauungsplan 18 dort eine Nutzung als „Erholungswald“ festlegt und es bis heute keine Voten des Stadtparlaments für eine Umwidmung des Waldes zu Einzelhandels- oder Gewerbeflächen gibt.

Öffentlich bekannt geworden waren die Pläne für den „Drewitz-Park“ mit 40 000 Quadratmetern Handelsfläche erst vor gut einem Jahr. CDU und SPD im Stadtparlament hatten damals einen Antrag gestellt, der das Projekt unterstützte. Der Proteststurm von Bürgern und Einzelhändlern war groß. Im Kirchsteigfeld gründete sich eine Bürgerinitiative. Nur wenige Wochen später kippte eine Mehrheit von Linken und Grünen im Stadtparlament das Vorhaben zunächst. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hatte sich damals explizit für das Projekt von Aldinger ausgesprochen, eventuell in abgespeckter Form – obwohl es dem verbindlichen Einzelhandelskonzept der Stadt widersprach.

Auf die Befürwortung der Verwaltung konnte sich der Investor bereits im März 2009 bei dem Waldkauf verlassen. Im Mai 2009 wurde der Kaufvertrag mit dem Landesbetrieb Forst beurkundet. Welchen Preis Aldinger gezahlt hat, ist unbekannt. Da es sich um ein Grundstücksgeschäft mit Dritten handele, könne dazu keine Auskunft gegeben werden, so der Sprecher des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft Lothar Wiegand. Der Preis habe jedoch „im oberen Bereich“ bisheriger Waldverkäufe mit vergleichbarem Bestand gelegen. Auch sei im Kaufvertrag vereinbart worden, dass Aldinger einen „Plangewinn“ nachzahlen muss, wenn die Stadt die Fläche umwidmet. Ob dies geschieht, scheint derzeit offen. Überraschend will die Stadtverwaltung für die kommende Sitzung des Stadtparlaments am 2. November vier Varianten für eine künftige Entwicklung im Kirchsteigfeld vorlegen. Das bestätigte die Stadt am Freitag auf Anfrage. Ursprünglich war vorgesehen, in einem zweiten Workshop ein Konsens zwischen Investor und Bürgern zu finden.

Bisher sieht der gültige Bebauungsplan lediglich eine Gewerbefläche zwischen Ricarda-Huch-Straße und Autobahn vor (siehe oberes rotes Feld in nebenstehender Grafik). Die Fläche liegt jedoch seit dem Bau des Wohngebiets Kirchsteigfeld nahezu brach – nach Meinung der Verwaltung vor allem, weil die Verkehrsanbindung an die Autobahn fehlt. Nach Aussagen von Oberbürgermeister Jakobs könne die Stadt sich den Straßenbau – er soll angeblich 1,8 bis zwei Millionen Euro kosten – nicht leisten. Daher, so die Argumentation, müsse der Investor seine Flächen so nutzen können, dass er die neue Straße bezahlen kann. Für die Waldfläche, die Aldinger gekauft hat, gibt es bisher keine Baurechte. Alle vier neuen Varianten der Verwaltung sehen jedoch vor, dass mindestens 1,5 Hektar des Waldes für Gewerbe oder Einzelhandel genutzt werden können. Die weitestgehende weist sogar fünf Hektar Wald für Einzelhandel aus.

Mit den vier neuen Planungsvarianten für das Gewerbe- und möglicherweise auch Einzelhandelsgebiet will sich am 19. Oktober die Bürgerinitiative Kirchsteigfeld beschäftigen. Sie hat zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung ab 19 Uhr in der Versöhnungskirche eingeladen. Als Gast wird laut Verwaltung auch Stadtplanungschef Andreas Goetzmann anwesend sein.

Die Bürgerinitiative ist vehement gegen eine Ansiedlung von Einzelhandel im Kirchsteigfeld. Die Gewerbebrache solle entwickelt werden, auch die neue Straße könne gebaut werden, so Sprecher Wilfried Naumann. Doch der „Erholungswald“, der Aldinger gehört, müsse als Ganzes erhalten bleiben. Sonst verliere das Kirchsteigfeld mit seinen 7500 Bewohnern eingekesselt von Fachmarkt-Center und Gewerbe seine Attraktivität. Dies befürchteten auch die Immobilienverwalter des Kirchsteigfelds, „allod“ und „alt + kelber“, die Mitglieder der Bürgerinitiative seien, so Sprecher Naumann. Mit dem Waldverkauf an Aldinger hat sich die Initiative ebenfalls beschäftigt. Sie sieht ihn als dubios an. Ein Gerichtsverfahren darüber, ob die Bürger den Schriftverkehr zum Verkauf zwischen Finanzministerium und Landesbetrieb Forst einsehen dürfen, ist noch vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg anhängig.

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