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Links und rechts der Langen Brücke: Rätselhafte Defensive

Jan Kixmüller über die Besetzung an der Universität Potsdam

Stand:

Potsdam war fast die Speerspitze. Noch vor den Berliner Unis hatten Studierende der Universität Potsdam vor neun Tagen Räume der Hochschule besetzt, um für bessere Studienbedingungen, gegen Bologna-Reformen und für Chancengleichheit zu protestieren. Mittlerweile werden in mehreren europäischen Ländern Hochschulen besetzt, vielfach wollen die Studierenden so lange bleiben, bis ihre Forderungen erfüllt sind. Der Protest war überfällig, auch an der Potsdamer Uni. Seit Jahren schon quälen sich hier Studierende durch überfüllte Seminare, daneben setzt ihnen das enge Korsett des Bachelorstudiums zu. Als dann auch noch die Errungenschaften des Bildungsstreiks vom Sommer 2009 im Sande zu verrinnen drohten, lief das Fass über. Frustriert zeigten sich die Studierenden darüber, dass Versprechen der Unileitung vom Sommer als Empfehlungen in den Uni-Gremien zerredet wurden, ohne dass die Studierenden hier ausreichend Mitspracherechte hätten. Die Schieflage wird vor allem auf das novellierte Landeshochschulgesetz zurückgeführt, das noch die schwarz-rote Vorgängerregierung zu Papier gebracht hatte. Jetzt unter Rot-Rot werden die Karten neu gemischt, jetzt können die Studierenden mit ihrem Protest etwas erreichen. Und tatsächlich, mit dem Wissenschaftsministerium werden konstruktive Gespräche geführt, die Protestierenden fühlen sich hier nicht vor den Kopf gestoßen. Ganz anders aber die Auseinandersetzung mit der Hochschulleitung. Allen Beteuerungen zur Gesprächsbereitschaft zum Trotz waren hier die Fronten von Anfang an verhärtet. Geradezu rätselhaft erscheint es momentan, wieso das Präsidium der Hochschule sich so sehr in die Defensive begibt. Während das Ministerium Anfang der Woche neue Gespräche verabredete, schien die Uni-Leitung eher erstarrt. Mit einer glaubwürdigen Solidarisierung hätte sich die Universität mit ihren – in vielen Punkten zu Recht aufgebrachten Studierenden – eine starke Verhandlungsposition gegenüber dem Land schaffen können. Mit einem progressiven Umgang mit der Besetzung hätte die Universität – gerade erst für exzellente Lehr-Konzepte ausgezeichnet – zur Speerspitze unter den deutschen Hochschulen werden können. Stattdessen nimmt man die Streikenden kaum ernst, spricht ihnen Vernunft und gegenseitigen Respekt ab. Dass es offensichtlich die Landesregierung war, die die Hochschulleitung von der schon eingeleiteten Räumung zurückpfeifen musste, spricht schließlich für sich.

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