
© A. Klaer
Landeshauptstadt: Raum für Künstler
Büro- und Atelierhaus auf dem „Freiland“-Gelände eröffnet / Initiativen und Vereine siedeln sich an
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Aus dem Schlüsselloch scheint Blut zu laufen. Die Tapete liegt in Fetzen auf dem Boden. Musik erschallt. Ringsherum an den Wänden: Collagen, Grafiken, Malerei. Zwei junge Berlinerinnen haben dieses Interieur geschaffen. Jujurocks und Jesa_Underline nennen sie sich. Zu sehen ist ihr Kunstwerk derzeit neben Werken anderer Künstler im „Haus 1“ des „Freiland“-Geländes in der Friedrich-Engels-Straße. Der einst von den Potsdamer Wasserbetrieben genutzte Ziegelbau mit dem so verwaltungstechnisch klingenden Namen wurde am Samstag feierlich als Büro- und Atelierhaus eröffnet.
Wer von der Muse geküsst wird, darf hier künftig in den Atelierräumen arbeiten und seine Kunst ausstellen. Jeder, der sich berufen fühlt, soll mitmachen können. Auch wenn der Musenkuss vielleicht nur ein flüchtiger ist – probieren ging schon immer über studieren. „Wenn du der Meinung bist, du bist Künstler, dann stell das aus“, könnte es also in Zukunft heißen, erzählt Dirk Harder, einer der beiden Chefs der „Freiland“-Trägergesellschaft Cultus. Für wenig Geld werde man hier als Künstler arbeiten können, sagt Phillip Langer von der Offenen Ateliergruppe, in der sich Gleichgesinnte bereits lose zusammengeschlossen haben.
Den Namen „Freiland“ nimmt Harder sehr ernst. Es gehe darum, den zumeist jungen Leuten Freiräume zu bieten, damit sie ihre Ideen verwirklichen können. „Es soll schon möglichst frei sein“, aber die jungen Leute dürften sich natürlich auch „nicht umbringen“, sagt Harder. Einmal werde man zum Beispiel auf die für ein Event erforderlichen Versicherungen hinweisen, in anderen Fällen vielleicht dringend benötigtes Material heranschaffen.
Einige Räume im „Haus 1“ sind bereits renoviert. Andere hingegen noch nicht. „Immer dann, wenn wir können, wird ein weiteres Stück erobert“, erklärt Harder. Er nennt diese Vorgehensweise des sukzessiven Renovierens eine „Eroberung auf Raten“. Die Affäre um die Stadtwerke, die das „Freiland“-Gelände in der Friedrich-Engels-Straße zur Verfügung stellen, habe die Arbeit in den letzten Monaten jedoch gebremst, resümiert Harder.
Noch sind nicht alle Räume im „Haus 1“ vergeben. Nicht nur Künstler sollen hier heimisch werden. So halte man laut Harder einen Büroraum für Flüchtlingsinitiativen frei. Auch werde der Suchtpräventionsverein „Chill out“ hier seine Arbeit aufnehmen. „Die Falken“, eine sozialistische Jugendbewegung, die sich die Abschaffung des Kapitalismus auf ihre Fahnen geschrieben hat, ist bereits eingezogen, ebenso der Afrika-Verein „Bildung für Balanka“. Auch werde es im „Freiland“ nun immer mehr Veranstaltungen unterschiedlicher Genres geben, so Harder.
An der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft wird im gerade eröffneten „Haus 1“ künftig der Wissenschaftsladen aktiv sein. In dem Netzwerk-Projekt werde es unter anderem um 3D-Druck, aber auch beispielsweise um stadtökologische Themen gehen, sagt Anja Laabs vom Wissenschaftsladen. Man wolle niedrigschwellige Angebote organisieren und auf diese Weise mithelfen, dass auch Nicht-Akademiker den Zugang zu bestimmten Wissensinhalten bekommen, berichtet Laabs von der Intention der „Laden“-Betreiber. Die junge Frau freut sich über das ihrer Ansicht nach gute Zusammenspiel der einzelnen Gruppen und Vereine im „Freiland“. Die nötigen Absprachen seien „immer ein Aushandlungsprozess“, so Laabs. Holger Catenhusen
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