Landeshauptstadt: Raus aus dem Bett, ran an den Barren
Seit Kurzem gibt es im Bergmann-Klinikum eine Klinik für Geriatrie. Am Freitag wurde die Station Potsdamer Hausärzten vorgestellt
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„Jetzt heben Sie mal den linken Arm“, sagt die Physiotherapeutin und macht es vor. „Das ist aber der rechte“, verbessert der Patient. Die Therapeutin lacht. „Ich mach das mit Absicht“, sagt sie. Dann sind die Beine dran. Ulrich Rohde hält sich an den Handläufen des Barrens fest und tastet sich mit den Füßen vorwärts, über weiche, harte und wackelige Trittflächen, über eine kleine Fußbank. Es geht schon ganz gut. Kurz nach der OP schaffte er kaum eine Stufe. „Jetzt komme ich schon die Treppen zur Station hoch und runter, brauche keinen Fahrstuhl“, sagt er. Das ist gut, denn wenn er entlassen wird, muss er insgesamt 39 Stufen steigen, um in die Wohnung zu kommen. Er hat sie gezählt.
Aber noch ist Ulrich Rohde Patient in der Klinik für Geriatrie im Klinikum „Ernst von Bergmann“. Die wurde in den vergangenen Jahren schrittweise eingerichtet, zuletzt wurde im Juni dieses Jahres die Alterstraumatologie in Betrieb genommen. Der Umbau kostete zwei Millionen Euro. Insgesamt 64 Patienten können hier aufgenommen werden. Patienten, die in den Fachkliniken des Krankenhauses eine Akutbehandlung bekommen und noch während der Behandlung oder daran anschließend Therapie und Reha in der Geriatrie beginnen. Auf einer Station, die komplett für die Bedürfnisse und Befindlichkeiten älterer und alter Patienten eingerichtet ist.
Leider ist das Konzept noch zu wenig in Potsdam bekannt. Nicht alle niedergelassenen Ärzte wissen, dass es die Station gibt. Dass sie hier direkt anrufen und die Aufnahme eines Patienten besprechen und vorbereiten können. „Die Menschen müssen dann eben nicht in der Rettungsstelle ewig warten oder andere Umwege nehmen“, sagt Romana Lenzen-Großimlinghaus, Fachärztin für innere Medizin und Geriatrie und seit zweieinhalb Jahren Chefärztin der Station. Am gestrigen Freitag leitete sie ein Fachsymposium, zu dem Hausärzte und Fachärzte aus Potsdam und dem Umland eingeladen waren, um sich über das Angebot zu informieren und die Station auch gleich anzuschauen.
Als Erstes fällt auf: Flure und Türen zu den Patientenzimmern sind farbig gestaltet, als Orientierungshilfe. Es gibt einen wohnlich eingerichteten Gemeinschaftsraum, in dem die Mahlzeiten eingenommen werden. „Die Menschen sollen aktiv werden, raus aus dem Bett, sobald es geht“, sagt Lenzen-Großimlinghaus. Auch weil sich im Alter die Muskeln schneller abbauen. Es heißt, für jeden Tag Bettruhe braucht es drei Tage als Ausgleich. Auf den breiten Fluren der Station sind viele Therapie- und Sportgeräte aufgebaut. Die Therapie findet nicht hinter verschlossenen Türen statt, sondern mittendrin. Der eine übt laufen, der andere sitzt am Ergometer. In einer kleinen Küche werden beim Kochen Handgriffe geübt. „Wer einen Oberschenkelhalsbruch hatte, muss wieder lernen, auf zwei Beinen zu stehen und dazu die Arme zu benutzen. Wir üben das Wäscheaufhängen, Bügeln, Knöpfe-Schließen“, sagt die Chefärztin. Für all das ist hier Zeit. Der Mindestaufenthalt auf Station beträgt zwei Wochen. Die Patienten sollen möglichst fit und selbstständig entlassen werden. Damit sie eben nicht gleich wieder mit dem nächsten Problem im Krankenhaus landen. „Wir wollen den sogenannten Drehtüreffekt vermeiden“, sagt die Ärztin.
Zudem ist man in der Geriatrie auf Menschen eingestellt, bei denen mehrere alterstypische Krankheitsbilder zeitgleich auftreten, beispielsweise Herzprobleme und Mangelernährung, Demenz, Depression und anderes. Welche Patienten die Kompetenz der geriatrischen Station brauchen, entscheiden Fachärzte und Stationsärzte gemeinsam. Von den jährlich etwa 4000 über 70-jährigen Krankenhauspatienten werden etwa 1300 auf die Geriatrische verlegt. „Wir sind immer voll belegt“, sagt Lenzen-Großimlinghaus.
Natürlich kommt es vor, dass Patienten der Station es nicht mehr nach Hause schaffen. Die werden dann nicht verlegt, sondern dürfen dort in Ruhe sterben. Patienten und Angehörige werden dabei entsprechend von den Mitarbeitern der Station begleitet.
Zurzeit bereitet man sich auf der Station auf Weihnachten vor. Während in den anderen Abteilungen des Krankenhauses die meisten Patienten vor den Feiertagen entlassen werden, wird sich die Geriatrie besonders füllen, befürchtet die Ärztin. Denn häufig fühlen sich Angehörige pflegebedürftiger Menschen gerade über die Feiertage überfordert. Und manche ältere Menschen spüren gerade jetzt die Einsamkeit umso mehr, suchen von sich aus Hilfe beim Arzt. „Auch Depression ist ein Krankheitsbild“, sagt Lenzen-Großimlinghaus. Es werde keiner weggeschickt.
Mehr Infos unter www.klinikum-ernst- von-bergmann-potsdam.de. Geriatrie-Hotline: 0160 848 60 33.
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