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Landeshauptstadt: Raus aus den Krankenzimmern

Beim Umzug der Stasi-Behörde läuft alles nach Plan – heute ziehen die Sachbearbeiter mit den Büros nach Berlin

Stand:

Allein für die Akten muss der Umzugswagen 88 Mal nach Berlin fahren. Jetzt stehen die 4,7 Kilometer Spitzel-Berichte, Abhörprotokolle und „operative Vorgänge“ auf rollbaren und fast schulterhohen Regalen im Flur der seit Jahresbeginn geschlossenen Potsdamer Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde in der Großbeerenstraße. Drei Meter Akten passen auf ein Regal, mit 18 Regalen ist ein LKW voll, rechnet Holger Wolf von der Umzugsfirma „Plischka“ vor. 17 Mann hat er für den Umzug der Stasi-Unterlagenbehörde noch bis Ende Januar im Einsatz. „Es läuft alles bestens“, sagt Wolf nach der ersten Woche: „Wir sind sogar schneller als geplant.“

Die Räume des ehemaligen Armee-Lazaretts machen in diesen Tagen einen geplünderten Eindruck – und werden teilweise wieder als das erkennbar, was sie früher einmal waren: Die weiß geflieste Großküche im Erdgeschoss zum Beispiel. Nur der Stapel mit zusammengelegten Regalteilen in der Ecke erinnert daran, dass hier dreizehn Jahre lang die Stasi-Akten des ehemaligen Bezirkes Potsdam lagerten – oder zumindest das, was die Zerstörungswut der Stasi-Mitarbeiter im Wendeherbst 1989 überlebte. „Krankenzimmer für die kranken Akten“, pflegte Gisela Rüdiger, die scheidende Außenstellenleiterin, über das Domizil am Rande der Stadt zu scherzen.

Jetzt stapeln sich auch im Büro von Gisela Rüdiger, eine Etage über den Akten, die Umzugskartons, die Schränke sind leergeräumt. „Morgen sollen die Büros der Sachbearbeiter mit den Möbeln nach Berlin ziehen“, erzählt Gisela Rüdiger. Auf ihrem Tisch liegt ein Straßenhinweisschild – Rüdiger würde es gerne mitnehmen, wenn sie im Februar in Vorruhestand geht. Im Nebenzimmer wickelt ihre Kollegin Kaffeetassen in Zeitungspapier.

So nah wie in Potsdam werden die verbleibenden 35 Behörden-Mitarbeiter bald nicht mehr an den Akten sitzen. Denn die Zentralstelle der „Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“ – kurz BStU – in Berlin ist auf zwei Adressen aufgeteilt: Die Akten – nach Behördenangaben 43 200 Regalmeter – lagern in der Ruschestraße in Berlin-Lichtenberg, die Behörde selbst sitzt in der Karl-Liebknecht-Straße in Berlin-Mitte.

Damit der Umzug reibungslos verläuft, sind zwischenzeitlich drei Mitarbeiter aus der Berliner Zentrale in Potsdam stationiert: „Koordinierungsstelle Umzug“ steht auf einem provisorischen Schildchen an der Tür zu ihrem Zimmer. Gisela Rüdiger klopft an und öffnet sie. An der Wand hängen Zeitpläne und Übersichten: „Am 27. Januar sollen alle Mitarbeiter raus sein“, erklärt Sabine Krause, die sonst in der Hauptverwaltung der BStU sitzt: „Danach brauchen wir noch ein paar Tage zum Aufräumen.“ Bisher habe alles gut geklappt: „Es läuft wie am Schnürchen“, sagt Sabine Krause – dem frostigen Wetter und den Ankündigungen von Blitzeis zum Trotz. „Es gab gar keine Schwierigkeiten“, betont sie.

Aber nicht alles soll mit nach Berlin. Manches wird auch ausgemustert, erklärt Gisela Rüdiger beim weiteren Rundgang und zeigt eine abgewetzte schwarze Ledertasche in übergroßem A2-Format. „Eine Stasi-Tasche“, erklärt Rüdiger: An solchen Taschen habe man die Stasi-Leute früher erkannt. Auch ein Mikrofilm-Lesegerät aus Stasi-Beständen hat ausgedient und wird entsorgt.

Die Schautafeln aus dem ehemaligen Ausstellungsraum bleiben dagegen in Potsdam, genau wie der Stadtplan, in dem die 1160 „konspirativen Wohnungen“ – Orte, in denen Stasi-Leute ihre Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) trafen – rot vermerkt sind. Der Plan lehnt an der Wand, daneben stehen Regale mit Telefonanlagen und Spitzel-Technik. Das alles soll in der Gedenkstätte Lindenstraße 54 ausgestellt werden, erläutert Gisela Rüdiger.

In dem ehemaligen Stasi-Gefängnis in Potsdams Innenstadt soll es künftig auch Bürgersprechstunden geben – genaueres ist allerdings auch zwei Wochen nach Schließung der Außenstelle nicht bekannt. Dagegen können die Brandenburger weiter auf einen eigenen Beauftragten für Stasi-Unterlagen hoffen: Gestern bekräftigte die CDU-Landtagsfraktion ihre Forderung nach einem solchen zentralen Anlaufpartner, wie es ihn in allen anderen neuen Bundesländern gibt. In der vergangenen Woche hatte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) in Potsdam angekündigt, gemeinsam mit der BStU die Einrichtung einer solchen Stelle zu prüfen. Jana Haase

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