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Im Gespräch. Jean-Marce Banoho, Leiter der Flüchtlingsunterkunf im Staudenhof (r.), berichtete Brandenburgs Sozialministerin Diana Golze (2.v.l.) und Potsdams Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger (3.v.l.) von der Arbeit mit Flüchtlingen.

© Christoph Freytag

Landeshauptstadt: Raus aus der Warteposition

Sozialministerin Diana Golze startete ihre Kreisreise zur Asylpolitik in Potsdam. Eine große Baustelle: Die Vermittlung in Arbeit

Innenstadt - Sie sind Elektriker, Kosmetikerin, Ingenieur, Gärtner, Friseur, Architektin, Tischler oder Grundschullehrerin: Eine Grafik an der Wandtafel im Versammlungsraum der Flüchtlingsunterkunft im Staudenhof veranschaulicht die Berufe der 50 Bewohner. Aus acht Nationen kommen die Menschen in dem Wohnungsverbund, der vom Verein Soziale Stadt betrieben wird. Die Berufs-Grafik hat einen Grund, wie der Leiter Jean-Marce Banoho erklärt: Man wolle weg von einer Sichtweise, die Flüchtlinge nur als Opfer versteht, und stattdessen zeigen, welches Potenzial diese Neupotsdamer mitbringen. „Wir wollen selbstbewusste Migranten“, sagt der Sozialarbeiter, der einst selbst als Flüchtling aus Kamerun nach Deutschland kam. Integration lohne sich für die Gesellschaft, in die die Flüchtlinge kommen, betont er. Brandenburgs Sozialministerin Diana Golze (Linke) nickt zustimmend.

Am gestrigen Mittwoch startete die Ministerin ihre Kreisreise zum Thema Asylpolitik mit dem Besuch in zwei Potsdamer Unterkünften im Staudenhof und in der Dortustraße. Potsdam, das sagt sie gleich zu Beginn im Staudenhof, könne in Sachen Integration von Flüchtlingen Schule machen für andere Kommunen im Land. Golze lobt nicht nur den Potsdamer Ansatz, Flüchtlinge stadtweit auf kleinere Standorte zu verteilen, sondern auch die vielen begleitenden Projekte, mit denen die Nachbarschaft und die Potsdamer zum Engagement für die Flüchtlinge bewegt werden sollen. Im Staudenhof etwa sind es Professoren und Studierende von der Fachhochschule, die gemeinsam mit den Flüchtlingen unter anderem ein Gartenprojekt und Sportkurse starteten.

Aber es gibt auch noch große Baustellen: Dazu zählt die Vermittlung in Arbeit. Warum gibt es keinen Ansprechpartner für die Arbeitssuche, will etwa der Kameruner Alain Christian Nkawo Sop wissen. Auch dass sein Deutschkurs im Juni aufhören soll, findet er nicht gut: „Es ist sehr wichtig, Deutsch zu lernen“, sagt er. „Ich möchte mein Leben beginnen – aber ich muss warten“, beklagt sich eine andere junge Frau. Auch der 22-jährige Syrier Nour Alghounaimi will sich einbringen: „Ich bin jetzt sechs Monate hier – warum darf ich nicht arbeiten?“, fragt der angehende Elektroingenieur.

Etwas einfacher sei die Situation für die Neuangekommen durch eine Änderung des Bundesgesetzes bereits geworden, erklärte Diana Golze: Flüchtlinge ohne Aufenthaltsstatus dürften bereits nach drei Monaten statt wie bisher sechs Monaten in Deutschland eine Arbeit aufnehmen – allerdings erst nach einer sogenannten Vorrangprüfung, mit der sichergestellt werden soll, dass es keinen geeigneten Deutschen für die Stelle gibt.

Diese Formalie verlange aber viel Geduld auch von Firmen, wie Frederike Hoffmann, beim Internationalen Bund (IB) zuständig für Flüchtlingsarbeit, sagte. Der IB will Flüchtlinge unter anderem mit einem Projekt in den Werkstätten auf dem Tornow aktivieren.

Die Integration in den Arbeitsmarkt soll künftig von der Stadt und der Potsdamer Arbeitsagentur besser koordiniert werden, erklärte Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger (parteilos). Bei der Arbeitsagentur werde es ab Sommer zwei neue Mitarbeiter geben, die sich nur um diese Zielgruppe kümmern. Auch Treffen mit den Sozialarbeitern der Flüchtlingsunterkünfte seien geplant – sie hätten den besten Überblick, was die Flüchtlinge können. Wünschenswert sei, dass Angaben über Berufserfahrungen bereits bei der Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt abgefragt würden – und möglicherweise bei der Verteilung der Flüchtlinge berücksichtigt werden könnten.

Die Stadt habe sich zudem für vier EU-finanzierte Projekte zur Arbeitsmarktintegration beworben – zwei Projekte seien bereits bewilligt. Auch die sogenannte Servicestelle Tolerantes und Sicheres Potsdam bekommt demnächst Verstärkung mit einer dritten Stelle: Ab Mitte Juli soll der oder die Neue anfangen. Eine Hauptaufgabe: die Koordination der ehrenamtlichen Angebote für Flüchtlinge.

Golze und Müller-Preinesberger fordern ein stärkeres finanzielles Engagement vom Bund für die Integration. „Bisher tragen Länder und Kommunen diese Kosten allein“, kritisierte Golze. Das müsse sich angesichts der gestiegenen Flüchtlingszahlen ändern. Potsdam zahlt bisher jährlich 150 000 Euro für Integrationsprojekte, das Land sieht im Haushaltsentwurf, der demnächst beschlossen werden soll, 2 Millionen Euro pro Jahr vor.

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