Landeshauptstadt: Rechnen und Riechen
Das Geheimnis der Parfümherstellung bei einem Duft-Workshop im Hotel „Bayrischer Hof“
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Ein Parfüm zu komponieren ist eine Kunst. Wie jeder andere Künstler braucht der Parfümeur dafür Talent, das hat sich spätestens seit Tom Tykwers Süßkind-Verfilmung „Das Parfüm“ herumgesprochen. Weil der Film neuerdings in aller Munde ist, fuhr Gertrud Schmack, die Geschäftsführerin des Potsdamer Fünf-Sterne-Hotels „Bayrischer Hof“ selbst nach Grasse, um sich in der „Welthauptstadt der Parfümerie“ kundig zu machen. Und siehe da: Wie jede Kunst kennt auch die Duftmischerei ein Handwerkszeug, auf das selbst Meisterparfümeure zurückgreifen. Jetzt holte Schmack eine Kennerin aus Frankreich in ihr Hotel im Wildpark: Am vergangenen Sonnabend zeigte Julia Tiziana Bauer von der Grasser Traditionsparfümerie „Molinard“ erstmals in Deutschland Workshop-Teilnehmern, wie man einen Duft entwirft.
50 verschiedene Essenzen hatte die 26-jährige „formatrice parfum“ dafür aus der Provence mitgebracht. Die kostbaren Flüssigkeiten leuchteten in ihren Fläschchen: Dunkelrot die Eichenmoos-Essenz, grün der Bergamotteduft, orange das Honigkonzentrat, gelb Gardenie und Jasmin. Farblos wie Wasser war dagegen die Rosenessenz. Dabei gehört sie zu den besonders teuren Rohstoffen, erklärte Julia Bauer. Denn für ein Kilogramm der Essenz verbraucht man drei Tonnen Rosenblüten. Das entspricht einem Rosenfeld von „mindestens einem Hektar“.
Doch die Essenzen unterscheiden sich nicht nur in der Farbe: Je nach ihrer Flüchtigkeit werden sie in leichte, mittelschwere und schwere Düfte unterteilt. Besonders vergänglich zum Beispiel sind Zitrusdüfte wie Pampelmuse oder auch Bergamotte. Im fertigen Parfüm riecht man sie zuerst, deshalb heißen sie „Kopfnoten“. Nach spätestens 30 Minuten sind sie jedoch verflogen. Eine längere Lebenszeit haben die mittelschweren Düfte, die später die „Herznote“ eines Parfüms ausmachen: vier bis fünf Stunden bleiben sie auf der Haut. Typische Herznotendüfte kommen von den Blumen: Hyazinthe, Lilie, Mimosa und auch die teure Rose gehören dazu. Schwere Düfte, die den ganzen Tag halten, geben Gewürze wie Nelke oder Thymian. Zur dauerhaften „Grundnote“ taugen aber auch die Düfte, die früher aus Tieren gewonnen wurden, wie Moschus, Zibet oder Amber. Grausame Experimente wie bei Süßkinds Held Grenouille gehören allerdings der Vergangenheit an, beruhigte Julia Bauer die Duftliebhaber: Die Zeiten, in denen Ochsen, Katzen und Walfische für ein Parfüm sterben mussten, sind vorbei. Seit 1970 dürfen diese Essenzen nur noch synthetisch hergestellt werden.
Das Geheimnis eines gelungenen Duftes liegt in der richtigen Mischung von Kopf-, Herz- und Grundnoten, verriet die Französin dann endlich: Sie müssen im Verhältnis 1:1:2 stehen. Das jedenfalls besagt die „olfaktorische Pyramide“, eine Art Goldener Schnitt für Parfümmischer, die seit ihrer Entdeckung 1940 von Parfümeuren in der ganzen Welt angewendet wird.
Doch was in der Theorie simpel klingt, erwies sich im Praxistest kompliziert: Die „Parfümeure“ wählten aus den 50 Fläschchen ihre Favoriten. Die Papier-Teststreifen, wie man sie aus Parfümerien kennt, hielten sie wie einen Fächer in der Hand, um einen Gesamteindruck des späteren Dufts zu bekommen. Julia Bauer half, wenn die Amateure bei der Wahl eine „linke Nase“ bewiesen hatten: Ein Streifen weniger und der eben noch plumpe Duft verwandelte sich in ein Parfüm mit orientalischer Note. Am schwierigsten erwies sich die Aufgabe, aus dem Duft-Fächer ein brauchbares Parfüm zu mischen. Milliliter für Milliliter füllten die Teilnehmer mit der Pipette ihre Flakons. Zwischendurch hieß es immer wieder: Rechnen und Riechen. Schließlich musste das Pyramiden-Verhältnis genau eingehalten werden.
Am Ende hatten alle einen eigenen Duft in der Flasche. So schnell geht das bei „Molinard“ sonst nicht: Ein Jahr arbeitet der „maître parfumeur“, der Parfümeurmeister, an einem neuen Duft, verriet Bauer. Voraussetzung für den Beruf ist ein zehnjähriges Studium. Aber das allein reicht nicht: „maître“ wird nur, wer einen Verkaufserfolg landet. Diese Kunst gelingt manch diplomiertem Parfümeur nie. Die Potsdamer Formeln nahm Bauer jedenfalls mit nach Grasse. Vielleicht war ja eine talentierte Nase darunter.
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