Landeshauptstadt: Reden wie Cicero
Der 5. Potsdamer Lateintag beschäftigte sich mit der Macht und Ohnmacht der Worte
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Das Thema des 5. Lateintages hätte aktueller nicht sein können. Kurz vor den Landtags- und Bundestagswahlen ging es am vergangenen Freitag in der Universität Potsdam um die „Macht und Ohnmacht der Worte“. Rund 650 Lateinschüler aus Berlin und Brandenburg füllten das Audimax bis auf den letzten Platz, um gemeinsam mit Lehrern und Wissenschaftlern über das Verhältnis von Gesellschaft und Rhetorik nachzudenken, sowohl in der Antike als auch in der Gegenwart. „Die Lateintage sind ja dazu da, sich mit den Wurzeln der europäischen Kulturgeschichte vertraut zu machen und ihre Bedeutung für unsere kulturelle Identität zu hinterfragen“, sagt Organisatorin Ursula Gärtner. Die Professorin für Klassische Philologie zeigt sich überwältigt vom großen Interesse der Schüler. „Anfangs wollten wir mit dem Lateintag nur die Neugier wecken und zeigen, was wir hier an der Universität erforschen. Inzwischen aber hat sich das Ganze zu einem richtigen Event ausgewachsen.“
Und das liegt vor allem am Brandenburger Antike-Denkwerk BrAnD, einem von der Robert Bosch Stiftung geförderten Projekt, in dem sich Lateinschüler über mehrere Monate hinweg intensiv mit einem Thema beschäftigen können. Nachdem in den vergangenen beiden Jahren das Alltagsleben und die Wertbegriffe näher beleuchtet wurden, geht es nun in der dritten und vorerst letzten Runde um das gesprochene Wort und die bis in die Gegenwart benutzten Rhetoriklehren aus der Antike.
Die Schüler sollen sich mit diesen Theorien vertraut machen und überprüfen, ob die Wirkungen großer antiker Reden, wie die des Cicero, auf dieselbe Art und Weise auch heute noch erzeugt werden könnten. „Das diesjährige Thema ist nicht ganz einfach, aber wir wollten den Anspruch zum Ende des Projekt hin etwas steigern“, erklärt Ursula Gärtner.
Auf dem Lateintag wurden die Schüler mit kniffligen Fragestellungen auf die Thematik eingestimmt: In welchem Verhältnis stehen Wort und Macht? Wer bestimmt in den Bereichen, die uns direkt angehen, wer in wessen Namen und mit welchen Folgen was wie zu wem sagen darf? Kann man allein durch Rhetorik auch heute noch die schwächere Sache zur stärkeren machen?
Die Schüler sind nun aufgefordert, hierzu Projektideen zu entwickeln und sich damit an der Universität zu bewerben. Die interessantesten Vorhaben erhalten eine Förderung in Höhe von 700 Euro und die wissenschaftliche Unterstützung der Klassischen Philologie.
Auf einer Konferenz am Ende des Schuljahres können die Lateinklassen dann ihre Ergebnisse präsentieren. „Wir sind jedes Mal überrascht, mit wie viel Kreativität und Spaß die Themen angegangen werden“, sagt Ursula Gärtner und erinnert an die Konferenz zu Wertvorstellungen in der Antike im vergangenen Juli (PNN berichteten). Da gab es gefilmte Zeitreisen ins Alte Rom, eine nachgestellte Talkshow mit Geistesgrößen der Antike und eine Zeitschrift mit authentischen Gerichtsberichten, Porträts und Interviews, für die das Evangelische Gymnasium Hermannswerder einen 1. Preis erhielt.
Was auch immer sich die Schüler in ihren neuen Projekten ausdenken – auf der nächsten Konferenz im Sommer 2010 werden ganz sicher eine Menge bedeutender Reden geschwungen. Antje Horn-Conrad
Antje Horn-Conrad
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