
© K.-U. Heinrich
Landeshauptstadt: Reformzeit an Schulen
Projekt-Schulleiter fordern Korrekturen in der Schul- und Bildungslandschaft Brandenburgs
Stand:
Sie sind auf der Suche nach einem Allheilmittel: Vier Schulleiter aus Brandenburg versuchen, ein Medikament für das Schulsystem Brandenburg zu entwickeln. Vor drei Jahren haben sie damit begonnen, bis jetzt ist ein ganzer Schrank voll heilender Tabletten und Säfte für eine individuelle Förderung der Schüler innerhalb des normalen Unterrichts entdeckt worden. Getestet werden sie an Schülern in Potsdam, Nauen und Forst. Mit Erfolg – doch die Rahmenbedingungen des Feldversuches stimmen nicht. Wie Ingo Müller, Schulleiter der Lenné-Gesamtschule in Potsdam, sagte, müsse das Landes-Bildungsministerium das bundesdeutsche Projekt Reformzeit unterstützen, damit es erfolgreich zu Ende geführt werden könne und nach drei Jahren Feldforschung noch weitergeht: Gemeinsam mit anderen Schulleitern fordert er eine Abkehr vom jetzigen Schulsystem hin zur Gemeinschaftsschule von Klasse 1 bis 10 und sieht in dem Projekt die Gefahr, dass es zum Bumerang für Lehrer in Brandenburg wird.
24 Prozent der Schüler in Brandenburg gelten als sogenannte Risikogruppe, die ihren Abschluss nicht schaffen. Um dieses knappe Viertel der Schüler nicht zu verlieren, soll das Schlagwort vom binnendifferenzierten Lernen innerhalb einer Klasse mit Inhalt gefüllt werden. Um neue Strategien dafür zu entwickeln, treffen sich die Lehrer der Lenné-Gesamtschule und der Sportschule Potsdam sowie des Jahn- Gymnasiums Forst und des Leonardo-da- Vinci-Campus Nauen regelmäßig. Eine einzige Strategie werde es nicht geben, sagte Ingo Müller. Es sei ein Mix aus verschiedenen Methoden. Unterstützt wird das Projekt von der Robert-Bosch-Stiftung. Die vier Schulen – sie arbeiten in einem von sieben Pools im Projekt Reformzeit– haben einen Schulberater zur Seite sowie mehrere Impulsreferenten, die auf dem Weg zu moderneren Unterrichtsformen helfen sollen. Ingo Müller und Rüdiger Ziemer, der Leiter der Sportschule wissen, wie es gehen könnte: Als Beispiele nennen sie die Abkehr vom Erledigungsnachweis hin zum Lernnachweis. In der Praxis heißt das: Schüler sollen die Biografie von Friedrich Schiller nicht auswendig lernen, sondern sich für die Rolle als Friedrich Schiller beim Hans-Otto-Theater bewerben. Die Wege sollen von Schülern entwickelt werden, der Lehrer sei Begleiter und Moderator. Dies stärke die Eigenverantwortung der Schüler. Als messbares Zwischenergebnis sehen sie, dass Lehrer und Schüler entspannter und mit mehr Lust den Unterricht gestalten.
Das Projekt Reformzeit diene vor allem dazu, sich in den Rahmenbedingungen besser bewegen zu können, sagte Rüdiger Ziemer. Das System werde man nicht ändern können. Auch wenn sich Kerstin Jonetat vom Campus Nauen, Thomas Röger von der Forster Schule und Ingo Müller genau das vorstellen können: Weg mit den Schulformen und Schulen von der 1. bis zur 10. Klasse fordern sie. „Die Systemdiskussion muss geführt werden“, so Müller.
Am Montag gab es eine große Runde im Bildungsministerium des Landes – mit Referats- und Abteilungsleitern. Das Interesse an den Zwischenergebnissen des Projektes sei groß, sagte Müller. Auch, weil das Ministerium unter politischem Druck stehe. Daher seien auch Forderungen seitens der Schulen definiert worden, wie mehr Zeit für die beteiligten Lehrer am Reformprojekt und nicht die Entwicklung von Reformen neben der normalen Arbeitszeit von 26 Unterrichtsstunden. Schulleiter Röger aus Forst sagte, obwohl in der Lausitz genug Lehrer vorhanden sind, habe sich an der Doppelbelastung nichts geändert. Unter diesen Bedingungen drohe das Projekt zu scheitern, obwohl die Lehrer motiviert seien – doch die Belastung sei enorm. Auch Irene Petrovic-Wettstädt, Pädagogische Leiterin des privaten Schulcampus in Nauen, sagte: Wenn das Projekt in dieser Form und unter diesen Arbeitsbedingungen Erfolg hat, könnte man im Ministerium auf die Idee kommen, dass alle Schulen sich unter den jetzigen Bedingungen reformieren müssen. Dies sei nicht möglich – deswegen müssten die Rahmenbedingungen verändert werden.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: