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Landeshauptstadt: „Regelrecht frustriert“

Hartz IV: Keine geplünderten Konten in Potsdam, aber Arbeitslose suchen nach „Schlupflöchern“

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Hartz IV: Keine geplünderten Konten in Potsdam, aber Arbeitslose suchen nach „Schlupflöchern“ In Panik geplünderte Konten, überstürzt verkaufte Lebensversicherungen – diese dramatischen Auswirkungen des Hartz IV-Gesetzes gibt es in Potsdam offenbar nicht. „Wir können nicht feststellen, dass Konten geräumt werden“, sagte gestern Sabine Dörr, Sprecherin der Mittelbrandenburgischen Sparkasse (MBS). Auch die Dresdner Bank, die Deutsche Bank mit 40 000 Privatkunden in Potsdam und die Volks- und Raiffeisenbank Fläming eG verzeichneten nach eigenen Angaben keine außergewöhnlich häufigen Auszahlungen oder Kontoauflösungen. Ein „verstärktes Informationsbedürfnis“ hätten die Kunden der Sparkasse allerdings, sagte MBS-Sprecherin Dörr. Das „Zauberwort“ ist in diesem Fall die Vermögensgrenze – wer bei Erspartem und Lebensversicherung laut Antrag für das Arbeitslosengeld II (ALG II) darunter liegt, kann, vereinfacht gesagt, sein Vermögen behalten. Dies führt offenbar dazu, dass viele der 9846 im Juli arbeitslos gemeldeten Potsdamer darüber nachdenken, wie sie ihr Geld „retten“ können. Einige seien „sehr besorgt“ in die insgesamt zehn Potsdamer Sparkassenfilialen gekommen, sagte Sprecherin Dörr. Die MBS bemühe sich, mit gezielt informierten Kundenberatern und persönlichen Gesprächen „einer Panik bewusst entgegenzuwirken“. Diese ist bei den pro Tag rund zehn Ratsuchenden in Sachen Hartz IV, die zur Potsdamer Verbraucherzentrale kommen, oftmals nicht weit weg. „Die Leute sind regelrecht frustriert“, sagte gestern Erk Schaarschmidt, Referent für Altersvorsorge und Versicherungen. Obwohl das so genannte Öffentliche Recht, zu dem Hartz IV gehört, offiziell nicht zum Beratungsgebiet der Verbraucherzentrale gehört, gebe es vor allem zu Lebens- und Ausbildungsversicherungen für die Kinder viele Anfragen, so Schaarschmidt. Manche überlegten, das eigene Vermögen auf das Konto des Kindes zu übertragen – und zugleich für das Kind keinen Anspruch auf Unterstützung vom Staat geltend zu machen. „In einer Notsituation, in der nichts anderes zieht, könnte man es versuchen“, meint der Referent. Er rechne aber damit, dass solche „Schlupflöcher“ im Hartz-IV-Gesetz „ganz schnell gestopft“ würden. Zudem enthalte der 16-seitige ALG II-Antrag eine Entbindungsklausel für Banken. Damit seien die Behörden ermächtigt, bei der Bank des Arbeitslosen nachzufragen, welche Kontobewegungen es gegeben hat. „Wer Vorsorge betreibt, wird im Moment dafür bestraft“, so Schaarschmidt. Eine Familie, die von Sozialhilfe lebe, aber für das Kind einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen hätte, müsse diesen jetzt im unglücklichsten Fall auflösen. „Da kann man schon bitterböse werden.“ Bei „schlanken“ Kapitallebensversicherungen, für die bereits etwa zwölf Jahre eingezahlt werde, rät Schaarschmidt dazu, die Freistellung zu beantragen – und so das eigene Vermögen zu „schützen“. Sabine Schicketanz

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