zum Hauptinhalt
Ähnlichkeit? Das haitianische Sans Souci erinnert nur entfernt an das Original in Potsdam. Der Erbauer war ein Fan der Preußen-Monarchie.

© Rémi Kaupp/Wikipedia

Landeshauptstadt: Regenzeit in Sans Souci

Potsdam war Vorbild für ein Schloss in Haiti, das ebenfalls auf der Weltkulturerbeliste steht

Stand:

Fast 32 Grad warm war es am gestrigen Montag in Sans Souci, die Luftfeuchtigkeit lag bei 87 Prozent und auch für die nächsten Tage ist nichts anderes als Regen angesagt. Für das Schloss ist die feuchte Jahreszeit angebrochen. Kein Wunder also, dass das altehrwürdige Bauwerk unter diesen Bedingungen nicht den gepflegtesten Eindruck macht – zumal es schon mehr als zweihundert Jahre auf dem Buckel hat und ihm ein schweres Erdbeben zusetzte.

Schloss Sans Souci steht nämlich nicht in der märkischen Ebene, sondern auf einem Berg im Norden der Karibikinsel Haiti – ein aktives Erdbebengebiet. Erst 2010 gab es dort ein schweres Erdbeben. Dabei und durch Epidemien sind in der Folge nach Regierungsangaben etwa 300 000 Menschen ums Leben gekommen. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) rief seinerzeit die Potsdamer zu Spenden auf.

Auch heute sind die Zeiten schwierig für Haiti. Aber zumindest im Norden zwischen der Küstenstadt Cap Haitien und der Grenze zur Dominikanischen Republik lassen sich nun mehr Gäste blicken. Das freut Souvenirverkäufer, Pferdevermieter und Reiseführer, die am Fuß des Berges Chaine Bonnet l’Eveque gleich neben dem Schloss Sans Souci ihre Dienste anbieten.

Nach der Unabhängigkeit Haitis 1804 ließ der General Henri Christophe den Palast Sans Souci erbauen. Der spätere König war fasziniert von der Preußen-Monarchie und vom Schloss-Original in Potsdam. Henri I. – wie er sich selbst nannte – eiferte seinen europäischen Vorbildern nach. Es gab opulente Feste und Tänze, einen riesigen Garten mit Springbrunnen und einem System von Wasserleitungen. Doch Prunk und Pracht währten nur kurz. Ein Erdbeben zerstörte 1843 das karibische Sans Souci.

Mit Potsdam hat die Ruine im haitianischen Milot noch mehr gemeinsam als den Namen: Auch das Traumschloss des Königs Henri steht auf der Unesco-Liste des Weltkulturerbes. Und zwar schon seit dem Jahr 1982 – also acht Jahre bevor das Original den begehrten Status verliehen bekam. Das Bauwerk sei ein Beispiel für die Epoche, unmittelbar nachdem Haiti seine Unabhängigkeit von der französischen Kolonialmacht erlangt hatte, so die Unesco. Gebäude wie das Schloss Sans Souci und die benachbarte Zitadelle Laferrière seien Symbole für die Freiheit des Landes. Bei ihnen handele es sich um die ersten Monumente, die von schwarzen Sklaven geschaffen wurden, nachdem sie ihre Freiheit erkämpft hatten, schreibt die Unesco in der Begründung für die Aufnahme ins Weltkulturerbe. Die Unesco zufolge verdanke der Komplex seine bizarre Schönheit der Harmonie mit seinem gebirgigen Umfeld. Die Anlage werde derzeit teilweise restauriert. Bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten kennt man die Schlossruine in 8000 Kilometern Entfernung. Allerdings unterhalte die Stiftung dorthin keine Beziehungen, hieß es am Montag auf Nachfrage.

Auf den ersten Blick hat die Ruine nicht viel mit Sanssouci gemeinsam. Doch die Unesco sieht durchaus Parallelen. So erinnern die barocken Freitreppen und die Klassischen Terrassen an Potsdam oder Wien, heißt es. Kanäle und Bassins seien frei von Versailles inspiriert und zeigten die „unbegrenzte halluzinatorische Qualität eines Größenwahnsinnigen“.

Gemeint ist Bauherr Henri Christophe, der für den Bau Tausende Zwangsarbeiter einsetzte. Auch er hat eine spannende Geschichte zu bieten: Henri Christophe wurde 1767 auf der Nachbarinsel Grenada als Sklave geboren und nahm als Trommler im Französischen Heer am Unabhängigkeitskrieg der USA gegen die Briten teil. Als erwachsener Mann wurde er später zu einer der Schlüsselfiguren der haitianischen Revolution. Nachdem der erste Präsident des Landes einem Attentat zum Opfer fiel, zog sich Henri Christoph in den Norden der Insel zurück und macht dort seinen eigenen Staat auf. Nach wenigen Jahren als Präsident erklärte er sich selbst zum König.

Unter seiner Regentschaft wurden zahlreiche Bauten in Angriff genommen. Henri I. hatte offenbar ein Faible für das Höfische – er schuf sogar einen eigenen Adel mit acht Herzögen, 40 Baronen und 14 Rittern. Ähnlich wie Napoleon Bonaparte organisierte er das Rechtssystem auf der Insel – das dazugehörige Gesetzbuch nannte er ganz unbescheiden „Code Henri“. Obwohl er die Bildung förderte und das Land mit dem Export seiner landwirtschaftlichen Güter Gewinne erzielt, war Henri unbeliebt. 1820 nahm er sich, gezeichnet von einem Schlaganfall, das Leben. Angeblich soll er sich mit einer silbernen Kugel selbst erschossen haben.

Von den Ruinen Sans Soucis sind es knapp zwei Stunden Fußmarsch bis zur Festung La Ferrière. Von der Geschützgalerie und den Bastionen der Festung mit bis zu 43 Meter hohen und vier Meter dicken Mauern reicht der Blick bis nach Cap Haitien die Küste entlang, wo die „Santa Maria“ von Kolumbus Weihnachten 1492 sank. Heute lagern auf der Zitadelle noch mehr als 200 Kanonen und 15 000 Kugeln. M. Zschieck (mit dpa)

M. Zschieck

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })