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WILDSCHWEINE, REHE, HASEN: Jagen im Stadtgebiet: Rehgarten ohne Rehe

Wild und Jagd in Sanssouci / Vier Jäger halten den Bestand in den Parks in Grenzen

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WILDSCHWEINE, REHE, HASEN: Jagen im StadtgebietWild und Jagd in Sanssouci / Vier Jäger halten den Bestand in den Parks in Grenzen Von Erhart Hohenstein Der Sprung Rehe, der in der Dämmerung im westlichsten Zipfel des Parks Sanssouci äste, ist verschwunden. Er hatte sich jahrelang auch vom regen Autoverkehr hier am Abzweig nach Eiche nicht stören lassen. Der Rehgarten also ohne Rehe? Sanssoucis Gärtner haben damit kein Problem. Trotz seines Namens sei der Rehgarten nie ein Wild- oder Jagdrevier gewesen, stellt der stellvertretende Gartendirektor Jörg Wacker klar. Als der einstige der Eichelmast von Schweinen dienende Hutewald in den Park einbezogen wurde, habe Friedrich II. zwar die Aussetzung von Jagdfasanen erwogen, diesen Plan aber schnell fallen lassen. Der König war bekanntlich kein Freund der Jagd. Die Gestaltung des Rehgartens durch Johann August Eyserbeck d. J. und ab 1836 durch Peter Joseph Lenné zum Landschaftspark mit seinen Gehölzgruppen, Wegen, großen Wiesenflächen und weiten Sichten zeigt laut Wacker deutlich, dass der Jagd kein Platz eingeräumt wurde. Wild gab und gibt es in Sanssouci dennoch bis heute. Es wechselt aus den angrenzenden Waldgebieten wie dem Wildpark oder dem Katharinenholz in den Park und richtet an den Gehölzen, auf Wiesenflächen und in den Blumenrabatten erhebliche Schäden an. Aus diesem Grund wurden stets Jäger eingesetzt, um den Bestand kurz zu halten. Das kann u. a. an Akten aus der Kaiserzeit nachgewiesen werden. Aus der DDR-Zeit erinnern sich manche noch an Paul Domdey mit Fahrrad und Hund, der als einziger Waidmann für diese Aufgabe eingesetzt war. Als er in den Ruhestand ging, wurde angesichts stark anwachsender Bestände eine Neuregelung des Problems notwendig. Seit Mitte der 90er Jahre ist deshalb in den Potsdamer Weltkulturerbeparks eine Gruppe von vier Jägern tätig. Rehe wechselten Revier Sie hat allerdings keineswegs die etwa 30 Rehe abgeschossen, die noch vor wenigen Jahren in Sanssouci gezählt wurden. Die drei Rudel sind vielmehr in nahe gelegene Waldreviere gewechselt. Dafür lassen sich mehrere Gründe nennen: Das waldartig zugewachsene Gebiet von der Fasanerie an der Geschwister-Scholl-Straße bis fast zum Neuen Palais hat in jüngster Zeit seinen Parkcharakter zurückerhalten. Dabei wurde der Baumbestand ausgelichtet, die ursprüngliche Wegeführung wieder hergestellt und Unterholz gerodet, das den Rehen als Deckung diente. Zum anderen haben der Besucherstrom und damit die Beunruhigung der scheuen Tiere erheblich zugenommen. Ebenso hat sich ausgewirkt, dass Eingangstore und Zäune repariert wurden und damit dem Wild der Zugang erschwert wird. René Mende, der Sicherheitschef der Stiftung, weist zudem auf die sich verstärkende Unsitte besonders junger Potsdamer hin, Hunde im Park frei laufen zu lassen. Ein Rehkitz oder eine tragende Ricke hat keine Chance, wenn sie von zwei Schäferhunden gehetzt wird“, erklärt er. Mende gehört selbst der Jagdgruppe an. Heute gelten die Parkflächen als so genannter befriedeter Bezirk“. Hier findet grundsätzlich keine Jagd statt. Zur Vermeidung von durch Wild verursachte Schäden besteht die Möglichkeit, zeitlich befristet eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten. Diese erteilt auf Antrag der Schlösserstiftung die Untere Jagdbehörde der Stadt Potsdam. Hochsitze in den Parks Die Männer dürfen nur von 19.30 – 8 Uhr auf die Pirsch gehen und lediglich Einzeltieren nachstellen. Eine Ausnahme machte im vorigen Herbst eine Drückjagd im Park Sacrow, wo das Schwarzwild überhand zu nehmen drohte. Die Jäger müssen freie Sicht haben und sich vergewissern, ob nicht etwa Liebespärchen oder andere Nachtschwärmer unerlaubt im Dunkel des Parks geblieben sind. Um Unfälle auszuschließen, wird bevorzugt im Winkel von 50 Grad von oben nach unten geschossen, wofür die in den Parks aufgestellten Hochsitze die Voraussetzung bilden. Dennoch bleibt ein Restrisiko, und das hat immer der Jäger zu verantworten“, stellt Ulrich Hardt fest. Der Förster, der als Referent im Agrar- und Umweltministerium tätig ist, möchte nicht als Leiter der Jagdgruppe bezeichnet werden. „Wir sind ein Team.“ Er führt aber die Jagdstatistik. Daraus lässt sich ableiten, dass die Wildbestände in den Parken seit Mitte der 90er Jahre stark zurückgegangen sind. Im zurückliegenden Jagdjahr (1. 4. 03 – 31. 3. 04) wurde in Sanssouci weder ein Wilddschwein noch ein Reh geschossen. Im Park Babelsberg waren es ein Rehbock und fünf Stück Schwarzwild, in Sacrow zwei Böcke und acht Schweine. Die Gesamtübersicht für alle Parks weist drei Rehe und 14 Exemplare Schwarzwild aus. (Im vorausgegangen Jagdjahr lagen die Vergleichszahlen noch bei 17 Rehen und 53 Wildschweinen). Die einzige größer werdende Strecke gibt es bei den Füchsen, die sich seit der Schluckimpfung gegen Tollwut stark vermehren und auch in den Potsdamer Parks kräftig buddeln. 2002/03 wurden fünf Stück geschossen, 2003/04 schon 17. Die Statistik für das abgelaufene Jagdjahr zählt auch drei tot oder verendend aufgefundene Rehe auf, so genanntes Fallwild. Sie wurden Opfer von Verkehrsunfällen, u.a. auf der Maulbeerallee. Wie schon den Vorjahren konnten in keinem Fall Bisswunden oder andere Spuren festgestellt werden, die darauf hindeuten, dass die Tier von Hunden zu Tode gehetzt worden sind. Die entgegen der Parkordnung frei laufenden großen Hunde sind wohl eher ein Problem für die Spaziergänger, die davor Angst haben und sich belästigt fühlen. Fröhlicher Morgengruß Zwei- bis dreimal wöchentlich gehen die Jäger auf Pirsch, meist auf Hinweis der Stiftung, wenn beispielsweise die Wildschweine wieder einmal ganze Rasenpartien umgraben. Bei der Jagd werden alle Regeln strikt eingehalten, die Wahl der geeigneten Waffe und Munition, um das Wild möglichst schmerzlos zu töten, die Achtung der Schonzeiten, der Verzicht darauf, Junge führende Muttertiere zu schießen ... Der Jagderfolg bedeutet nicht alles“, meint Ulrich Hardt, unsere Tätigkeit bringt auch viele unvergessliche Naturerlebnisse.“ Und so packt er nicht eben erfreut, aber doch gelassen seine Büchse ein, wenn 6.30 Uhr nach stundenlangem Ansitz plötzlich eine Frühaufsteherin mit Hund durchs Schussfeld wandelt und ein fröhlich-schallendes Guten Morgen!“ zum Hochsitz hinauf ruft. Wonach sich natürlich kein Stück Wild mehr sehen lässt ... Die Jäger dürfen über die geschossenen Stücke verfügen, verwenden sie für den eigenen Bedarf oder geben sie an den Wildhandel. Auch das erlegte Tier einem Verwandten oder Freund zu überlassen, ist erlaubt. Für jedes Stück muss ein Wildursprungsschein mit Datum und Ort ausgestellt werden. Es wird durch eine Plastmarke gekennzeichnet. Für Schweine ist eine Trichinenbeschau vorgeschrieben, für Füchse eine Tollwutuntersuchung. Finanziell geht dies alles zu Lasten des Jägers. Der Erlös aus dem Verkauf von Tieren wird in einer Kasse gesammelt und z.B. wie unlängst in Sacrow für die Erneuerung von Hochständen oder für die Verbesserung der Ausrüstung verwendet. Um die Wildschäden auszugleichen, stellt die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten jährlich 5000 in den Haushalt ein. Auch wenn diese Summe nicht immer ausreicht, verglichen z.B. mit den Kosten für die Restaurierung einer einzigen Statue erscheint sie sehr bescheiden. Die größten Schäden werden durch Schwarzwild angerichtet. Auf der Suche nach Bodentieren, mit der Rückkehr der Maikäfer gibt es vermehrt wieder den schmackhaften Engerling, brechen sie ganze Wiesenflächen um. Die sehen dann aus wie ein frisch gepflügter Kartoffelacker. Darunter haben besonders der Sacrower und der Babelsberger Park zu leiden, wo es immer wieder den sensiblen Pleasureground unterhalb des Schlosses trifft. Die Wiederherstellung, erfuhren PNN von Fachbereichsleiter Karl Eisbein, erfordert mehrere Arbeitsgänge und kostet je Quadratmeter etwa 5 . Das Hippodrom im Park Sanssouci haben die Schwarzkittel im Frühjahr ebenfalls wieder heimgesucht, im Neuen Garten sind sie zur Überraschung von Fachbereichsleiter Sven Kerschek diesmal ausgeblieben. Vorliebe für Leckerbissen Auch die Rehe fügen den Parks Schäden zu, indem sie junge, oft seltene und deshalb teure Gehölze verbeißen. Im Heckengarten am Neuen Palais haben sie Hecken derart exakt heruntergebissen, dass Laien meinen könnte, Gärtnerlehrlinge hätten einen (missglückten) Formschnitt versucht. Im Babelsberger Park setzten sie an der Allee nach Glienicke frisch gepflanzten Weißbuchen arg zu. Außerdem pflücken sich die naschhaften Tiere aus den Blumenrabatten Leckerbissen heraus. Diese werden zwar mit abscheulich riechenden Vergrämungsmitteln behandelt, doch bis die Rehe das merken, sind die Blumen schon dahin“, äußert Karl Eisbein sarkastisch. Gleiches treffe auf die im Babelsberger Parkrevier zur Plage gewordenen Kaninchen zu. Gegen die Nagetiere wurde bisher kein Mittel gefunden. Gerade mal eins wurde im vorigen Jagdjahr geschossen. Zwar besitzt der hier vorwiegend eingesetzte Jäger Norbert Zöller die Erlaubnis für die Jagd mit Greifvögeln und Frettchen, doch übt er sie aus Zeitmangel derzeit nicht aus. Jagd und Wild in Sanssouci ist kein Thema, zu dem sich die Gärtner der Stiftung gern äußern. Sie kennen die Tierliebe der Potsdamer, besonders zu den grazilen Rehen, und möchten keinesfalls als tierfeindlich abgestempelt werden. Eine geringe Zahl von Rehen könnten sie dulden, erklären sie. Der Schlüssel dafür ist ein Tier auf 100 ha. Setzt man die Fläche der hier genannten Parks in Vergleich, wären das fünf – sechs Exemplare, allein für Sanssouci mit seinen 273,40 ha knapp drei. Ganz aussichtslos erscheint es also nicht, im Rehgarten mal wieder einem Reh zu begegnen.

Erhart Hohenstein

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