
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Reise mit Rollstuhl
Zwei junge Niederländer sind von Amsterdam nach Berlin unterwegs – nun stoppten sie in Potsdam
Stand:
Von Amsterdam ins Holländische Viertel: Mittwochnacht erreichten zwei erschöpfte junge Männer Potsdam. Tijmen Hekker, 24, und Hector Loma, 25, sitzen im Rollstuhl. Das hinderte sie jedoch nicht daran, von Amsterdam auf Radwegen bis nach Berlin zu rollen. Seit ihrer Geburt leiden sie unter der Infantilen Zerebralparese, einer Störung des Nerven- und Muskelsystems. „Ich habe einen Freund, der ist mit dem Rad nach Japan gefahren“, sagt Hekker. „Da dachte ich: Wenn er es bis nach Japan schafft, dann schaffen wir es locker bis nach Berlin.“
Seit Ende Juni sind sie unterwegs, nach acht Tagen erreichten sie die Grenze und passierten unter anderem Osnabrück, Hannover, Braunschweig und Magdeburg, ehe sie von Brandenburg nach Potsdam rollten. Beide haben gerade ihr Studium beendet und konnten sich somit eine Auszeit nehmen. Viel Geld haben sie für ihr Vorhaben nicht eingeplant. „Wir haben zwar etwas dabei und ein paar Mal in Hotels geschlafen“, sagt Hekker. „Aber wir vertrauen darauf, dass man uns unterwegs etwas gibt.“
Das Vertrauen wurde nicht enttäuscht. Neben Geld haben die beiden Freunde auf ihrer Reise auch Verpflegung und Zigaretten geschenkt bekommen. Übernachtet haben sie im Zelt, manchmal schliefen sie im Rollstuhl am Straßenrand. In größeren Städten suchten sie sich auf der Internetseite Warmshowers einen Unterschlupf: Das Portal vermittelt kostenlose Privatunterkünfte an Radtouristen. Florian Kirchezh hat den beiden Niederländern in Potsdam Unterschlupf gewährt. „Als meine Frau und ich mal mit dem Tandem nach Spanien gefahren sind, haben uns viele Leute so geholfen“, sagt er. Ungefähr einmal im Monat hat er Radfahrer aus aller Welt bei sich in der Geschwister-Scholl-Straße zu Besuch.
„Der ganze Trip war etwas unorganisiert“, sagt Hekker und muss lachen. So war der Anhänger, den sie hinter ihren Rollstühlen herziehen und den sein Onkel eigens anfertigt hatte, erst kurz vor Abreise fertig und wurde spontan bepackt. Bei ihrem ersten Stopp war die Stange gebrochen – was einen Hotelmanager, wie Hekker erzählt, zu der Aussage verleitete: „Ach, ihr trainiert erst mal für euren Trip?“ Oft fuhren sie auch, ohne es zu merken, mit angezogener Bremse. Das ist jetzt alles egal, ihr Ziel haben sie erreicht.
Eineinhalb Monate planten sie für die Rollstuhltour ein und waren sogar schneller. Nur eine Nacht blieben sie in Potsdam, am Abend ging es weiter nach Berlin. „Wir hatten wenig Zeit zum Sightseeing“, bedauert Loma. In Potsdam haben sie sich die aber nicht nehmen lassen: „Es ist wirklich schön, vor allem das Holländische Viertel“, sagt er begeistert. „Es erinnert mich an zu Hause.“ Dahin geht es für sie nach einem Zwischenstopp auf einem Musikfestival in Polen dann bald – diesmal jedoch mit dem Auto. akf
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: