Homepage: Renaissance der Innenstädte
Wissenschaft und Politik: Aufwertung der Altbauquartiere weiter fortführen
Stand:
Die Entwicklung ist gegenläufig. Einerseits zieht es die Menschen aus dem Grünen wieder verstärkt in die Innenstädte. Andererseits werden viele der Stadtzentren in den kommenden Jahrzehnten von den Auswirkungen des demografischen Wandels betroffen sein. Der Bundesbauminister hat nun eine Lanze für die innenstädtischen Altbauviertel gebrochen. Vor dem Hintergrund des Programms „Stadtumbau Ost“ sprach sich Bauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) nun für einen besseren Schutz der Altbauquartiere aus. Denn eine solche Stadtentwicklung könne eine Antwort darauf geben, wie sich Verwurzelung und Einbeziehung von Bürgerschaft in einer sich global öffnenden Welt fördern ließen. Hinzu komme der ökonomische Faktor der Stadtzentren, vor allem durch den Tourismus. Klare Zielsetzung nun: Konzepte finde, die den Abriss von Altbauten in den Innenstädten verhindern.
Rückendeckung bekommt der Minister dabei aus der Wissenschaft. „Die Stärkung und Weiterentwicklung der Innenstädte sind auch die Basis für eine zukunftsfähige Entwicklung der gesamten Stadt“, sagte Dr. Heike Liebmann vom brandenburgischen Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) unlängst bei einem Kongress zum „Stadtumbau Ost“. Innerstädtische Altstadtquartiere – die gründerzeitlichen Stadterweiterungen aber auch die Siedlungsgebiete der 1920er und 30er Jahre – seien nicht nur baukulturell von herausragender Bedeutung, sondern würden auch die räumliche, funktionale und kommunikative Mitte der Stadt bilden. Hier habe es seit der Wiedervereinigung eine enorme Aufwertung gegeben.
Inzwischen seien in Ostdeutschland rund 70 Prozent des innerstädtischen Altbaubestandes saniert stellte Liebmann fest. „Dies sind ermutigende Zeichen für eine Renaissance der Innenstädte“, so die Stadtplanerin. Doch die Entwicklung verläuft nicht gleichförmig, einerseits würden Prunkviertel in bester Lage entstehen, andererseits Schmuddelecken am Rande. „Die Frage ist nun, welche Perspektive gibt es für den bislang unsanierten Drittel an Altbaubestand“, so die Regionalforscherin mit Blick auf das 2009 auslaufende Programm Stadtumbau Ost.
Während die repräsentativen, sanierten Gründerzeitviertel im Kern vieler Städte steigende Zuzüge aufweisen würden, sei vor allem bei den einfachen Stadtquartieren aus der Gründerzeit, zumal in Randlage eine negative Entwicklung zu erkennen. Für diese Quartiere seien nicht selten Leerstände von 30 Prozent und mehr sowie fortschreitender Verfall zu konstatieren: „Die Entwicklungsperspektive dieser Quartiere ist problematisch.“
Die geringe Wohnungsnachfrage auf einem entspannten Wohnungsmarkt habe in Ostdeutschland mittlerweile zu vergleichsweise niedrigen Mieten mit geringem Steigerungspotenzial geführt: „Keine optimalen Investitionsvoraussetzungen für die Eigentümer unsanierter Gebäude“, schließt Liebmann. Folglich habe sich der Aufwertungsprozess in den innerstädtischen Altbauquartieren wieder verlangsamt. „Mit dazu beigetragen haben rückläufige finanzielle Anreize wie der Wegfall der Investitionszulage, aber auch das restriktive Verhalten der Banken gegenüber investitionsbereiten Eigentümern“, so die Stadtplanerin. Gleichzeitig warnt sie vor dem Abriss von Altbauten: „Meist ein schwerwiegender Eingriff in die Struktur der Quartiere mit Folgeproblemen.“ Allein seit 2002 seien im Osten über 14 000 Altbauwohnungen abgerissen worden, darunter über 1000 in Baudenkmalen.
Derzeit bestehe die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Städte: in sanierte historische Stadtkerne, geschrumpfte Randsiedlungen aus DDR-Zeiten und suburbane Gebiete aus der Nachwendezeit. „Zur Disposition gestellt werden dabei wesentliche Teile der gründerzeitlichen Stadterweiterung wie auch der Siedlungen aus den 20er und 30er Jahren“, so Liebmann. Daher müssten nun die Kommunen ihre Planungshoheit aktiv wahrnehmen. „Sie müssen sich in Stadtentwicklungskonzepten stärker damit auseinandersetzen, welche Stärken in einzelnen Stadtquartieren entwickelt werden können und welche Bestände für künftige Stadtentwicklung unverzichtbar sind.“ Gegenüber den PNN verwies Liebmann aber auch darauf, dass Stadtentwicklung nicht nur den Wohnraum sondern auch die soziale Infrastruktur – etwa Schulen und Betreuungseinrichtungen – betreffe. „Auch dafür muss Geld in die Hand genommen werden.“
Vom Land Brandenburg war indes zu hören, dass man auf bestem Wege sei. Jürgen Schweinberger vom Infrastrukturministerium sagte, dass im Land ein Abriss von Altbauten grundsätzlich ausgeschlossen werde. Er erinnerte aber auch daran, dass, gerade im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel, die Städte in ihrem Mittelpunkt gestärkt werden müssten. Das Wegbrechen der Investitionszulage habe zu schmerzhaften Einschnitten bei privatem Eigentum geführt.
Dass es mit dem privaten Eigentum nicht so einfach ist, wie es sich Stadtplaner und Politiker wünschen, strich Dr. Stefan Weber von der Sächsischen Aufbaubank deutlich heraus. „Die sozioökonomischen Systeme werden im Osten in 30 Jahren kaputt sein“, so der Banker. In Zukunft würden die Rentner nur noch über 40 Prozent ihrer heutigen Kaufkraft verfügen. Was sowohl den Erwerb von Eigentum als auch das Zahlen von hohen Mieten unmöglich mache. Auch die Wirkung von staatliche Investitionen hält er für überschätzt: „Gebäude und Bewohner mit Stütze, das hat keine Zukunft.“ Förderung könne ein Anreiz sein. „Aber sie kann nie das Leben ersetzen“, so Weber. Es gelte, die ökonomische Sphäre, die Innenstädte früher darstellten, wieder herzustellen.
Auch der Stadtplaner Prof. Franz Pesch (Uni Stuttgart) blickt zunächst eher pessimistisch in die Zukunft. So prognostiziert die Demografie, dass die Gruppe der am stärksten aktiven Erwachsenen (30-40 Jahre) bis 2050 von heute 19 Millionen auf elf Millionen schrumpfen werde. „Das sind aber diejenigen, die die Städte bauen.“ Peschs Fazit: Schlüssel für Leben in den Innenstädten ist der Erhalt der Altbauquartiere, sie geben das Gefühl von Heimat und sichern urbane Qualität. „Ohne Hilfe der öffentlichen Hand ist dies allerdings nicht möglich.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: