Von Jan Brunzlow: Reserve sitzt im Lehrerzimmer
Reiche und von Halem fordern mehr Lehrer / Schulen mussten Vertretungskonzepte erarbeiten
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Für die Erhöhung der Vertretungsreserve sowie die Einstellung neuer Lehrer haben sich CDU und Bündnisgrüne gestern ausgesprochen. „Den Kindern werden durch dieses fahrlässige Agieren wichtige Lebenschancen geraubt“, erklärte die CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche. Das Bildungsministerium hat eine Statistik veröffentlicht, in der der Unterrichtsausfall aller Schulen im Land Brandenburg verzeichnet ist. Potsdam hat laut Statistik im vergangenen Schuljahr mehr Ausfall und zu vertretende Schulstunden als der landesweite Durchschnitt. Hauptgrund dafür sind erkrankte Lehrer. Reiche und Marie Luise von Halem (Bündnisgrüne) sprachen sich daher dafür aus, dass das Ministerium mehr Lehrer einstellt, um dem Problem begegnen zu können. An einzelnen Grundschulen in Potsdam ist im Vorjahr bis zu 18,4 Prozent regulärer Unterricht ausgefallen.
Das Schulamt Brandenburg hat nach Ministeriumsangaben in diesem Jahr die Vertretungsreserven für Schulen neu geregelt und selbst keine Reservestunden mehr. Denn das Schulamt habe alle Zusatzstunden in Höhe von drei Prozent, die für Vertretungen zur Verfügung stehen, den Schulen in Eigenverantwortung übergeben. Schulamtsleiter Ulrich Rosenau sagte kürzlich am Rande einer Veranstaltung, die Vertretungsreserve sitze nun im Lehrerzimmer. Aus den Schulen in Potsdam hieß es, die zusätzlichen Stunden reichen nicht, um immer reagieren zu können. Zudem seien die Stunden für zusätzliche Förderung und Teilung eingeplant, die bei Bedarf als erstes wegfallen würden.
Auffällig hoch ist der ersatzlose Stundenausfall in der Sekundarstufe II an Potsdamer Gymnasien. Alle vier Gymnasien liegen dabei über dem Landesdurchschnitt. Schulleiter Uwe Schmidt vom Leibniz-Gymnasium sagte, es gebe kaum Vertretungsmöglichkeiten in diesen Jahrgängen. Das Kurssystem und die Doppelstunden würden fachgerechte Vertretungen schwierig machen. Im vergangenen Jahr haben alle Schulen ein schulinternes Vertretungskonzept erarbeiten müssen. Dies wurde dem Schulamt vorgelegt. Darin sind Maßnahmen erarbeitet, falls die zur Verfügung stehende Vertretungsreserve nicht ausreicht. Möglichkeiten sind dabei Kurs-Zusammenlegung, das Aussetzen von Arbeitsgemeinschaften oder die Anordnung von Mehrarbeit. Das wird an Potsdamer Schulen unterschiedlich gehandhabt: Während es vereinzelt Schulen gibt, an denen laut Statistik keine Mehrarbeit geleistet worden ist, gibt es Einrichtungen mit Mehrarbeit der Lehrer von bis zu 5,5 Prozent. Leisten Lehrer Mehrarbeit, würde dies für Angestellte ab der ersten Stunde vergütet, Beamte müssten ihre Mehrarbeit nur bezahlt bekommen, wenn sie die Stunden nicht innerhalb von zwölf Monaten ausgeglichen haben, hieß es. Trotz aller Maßnahmen ist es aber keiner Schule gelungen, keinen Unterricht ausfallen zu lassen.
Katherina Reiche kritisierte gestern die Bildungspolitik des Landes grundsätzlich: „Das Bildungsministerium spielt mit der Zukunft unserer Kinder“, erklärte sie. „Die Platzeckregierung nimmt den dramatischen Zustand des Brandenburger Bildungssystems nicht ernst und ignoriert seit Jahren die Warnungen von Eltern, Lehrern und Schülern hinsichtlich des Bildungsnotstandes.“ Gerade sozial benachteiligte Kinder, die vom Bildungsangebot in der Schule profitieren, würden laut Reiche ihrer Chancen beraubt. Die Bündnisgrüne von Halem sagte, die Landesregierung müsse mehr Lehrer einstellen als jährlich aus dem Schulbetrieb ausscheiden. Erst Anfang des Jahres wurde ein Antrag ihrer Fraktion auf Erhöhung der Lehrer-Reserve im Landtag abgelehnt.
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