Landeshauptstadt: Rettung des Badeparadieses
Schon im 19. Jahrhundert konnte man an vielen Stellen in die Havel springen
Stand:
Als älteste bekannte Badestelle in Potsdam hat der Stadthistoriker Klaus Arlt den Tornow ausgemacht. Hier hatte schon 1799 ein Gastwirt namens Pasewald einen Bade- und Vergnügungsplatz eingerichtet, für den er einen Badezins von jährlich 2 Talern an den Magistrat zahlen musste. Selbst der Kronprinz und spätere König Friedrich Wilhelm (IV.) fand sich zum Schwimmen ein. Diese Therapie hatte ihm sein Leibarzt Hufeland verordnet, um der Veranlagung des Patienten zur Fettleibigkeit entgegen zu wirken.
Als das Baden im alten Potsdam kürzlich Gesprächsgegenstand des Preußischen Stammtisches war, erinnerten sich die ältesten Teilnehmer noch an die Bretterzäune, die zu ihrer Kinderzeit Damen- und Herrenbäder voneinander trennten. Natürlich hatten die Jungen versucht, durch Astlöcher einen Blick auf die holde Weiblichkeit zu werfen, deren keusche Badekleidung allerdings nur Waden und Unterarme freigab. War Baden und Schwimmen lange Zeit den Männern vorbehalten, da man um die „Sittlichkeit“ fürchtete, wurde nach 1900 neben der Schwimmanstalt am Ende der heutigen Türkstraße die erste städtische Frauenbadeanstalt eröffnet. Das Männerbad bestand an dieser Stelle schon seit Anfang der 1820er Jahre und trug den Namen von Wilhelm von Türk, der als Schulrat das Potsdamer Bildungswesen reformierte.
Zur selben Zeit wurde am Ufer vor der Heiligengeistkirche durch den Offizier Ernst von Pfuel, ein Freund Heinrich von Kleists, zur Körperertüchtigung der Soldaten eine Militärbadeanstalt eingerichtet. Sie bestand bis über den Zweiten Weltkrieg hinaus und wurde dann auch von Zivilisten genutzt. Noch heute sieht man – nunmehr unerlaubt – dort Potsdamer ins Wasser springen.
Die offiziellen Badeanstalten waren jedoch gegenüber den privat betriebenen Badestellen an der Havel in der Minderzahl. Wie Klaus Arlt ermittelt hat, gab es sie u. a. an der Langen Brücke, an der Freundschaftsinsel, am Lokal „Havelgarten“ auf dem Kiewitt, am Kiez, an der Berliner Straße und bis Kriegsende 1945 am Wasserwerk Leipziger Straße. Den meisten war keine allzu lange Lebensdauer beschieden. Der Magistrat verband die Genehmigung mit strengen Auflagen, wozu einblicksichere Abgrenzungen bis hin zum Überspannen der Bassins gehörten. Schon ab den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts ließ er in der Innenstadt gelegene Badestellen schließen. Dazu wurde er auch durch Beschwerden von Bürgern gedrängt, die in den „nackten Menschen“ eine Gefahr für Moral und Sitte sahen.
Badefreuden bester Qualität bot dann ab 1927 das zum „Land- und Wassersportplatz“ umgestaltete Gelände des ehemaligen Luftschiffhafens mit 100-Meter-Schwimmerkampfbahn, zehn Meter hohem Sprungturm, sechs Sprungbrettern und einem Strandbad für Nichtschwimmer. Durch diese Anlage habe man „in einer in Deutschland wohl einzigen Weise den Landsport und Wassersport innig verbunden“, schreibt euphorisch der Obermagistratsrat und spätere erste Nachkriegsbürgermeister Dr. Friedrich Bestehorn. Überlegungen nach der deutschen Wiedervereinigung, das Bad im Luftschiffhafen wieder herzustellen, sind bisher ergebnislos geblieben.
In der DDR-Zeit standen den Potsdamern das Strandbad Babelsberg und das neu geschaffene Strandbad Templin zur Verfügung. Wie Zeitzeugin Helga Bornstädt berichtet, war die Badestelle am Babelsberger Park nach Kriegsende 1945 als erstes wieder zur Nutzung freigegeben und später zum offiziellen Strandbad ausgebaut worden, das nunmehr durch die Schlösserstiftung in Frage gestellt wird. Um 1960 begannen die Arbeiten am Templiner See, wie Peter Seele, der spätere langjährige Leiter des Bades, berichtete. 1967 musste das Bad wegen Belastung des Wassers durch Kolibakterien allerdings gesperrt werden. In einer Aktion „Potsdamer Badeparadies wiedergewinnen“ sorgten die Neuesten Nachrichten damals mit Dr. Joachim Knaack, Bezirks-Hygiene-Institut, dafür, dass durch Ableitung des Abwassers über eine neue Rohrleitung ins Klärwerk Nord das Bad wieder freigegeben werden konnte.
Die Schaffung der Bademöglichkeiten am Templiner See war auch eine Reaktion der DDR-Behörden auf die Schließung des schon vor 1945 bestehenden, wunderschönen Bades am Jungfernsee an der Schwanenbrücke. Es war wegen der Nähe zur Grenze nach Westberlin dicht gemacht worden. Der letzte Bademeister namens Haseloff zeigte Bekannten gern Hunderte von Fotos des Badebetriebs, die er nun wohl mit ins Grab genommen hat. Sie wären auch von Bedeutung für das Potsdam-Museum gewesen, das am Montag eine Ausstellung über die Badefreuden im alten Potsdam eröffnen will.
Erhart Hohenstein
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